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Greenwich

Mitten im Geräusche der in ewiger Arbeit emsig sich bewegenden City, an der Londoner Brücke, schifften wir uns auf einem der Boote ein, die, so wie die Fiaker in den Straßen, auf der Themse numeriert und unter polizeilicher Aufsicht dem Publikum zu Gebote stehen.

Diese Brücke, die älteste der drei, welche in London über die Themse führen, war schon seit einiger Zeit bestimmt abgebrochen zu werden, um einer auf einem einzigen Bogen ruhenden eisernen Platz zu machen. Wie die Brücke jetzt dastand, waren ihre Bogen viel zu eng für den mächtigen Strom, den sie beherrscht. Ungestüm drängt er sich wild brausend hindurch und verschlingt jährlich mehrere Opfer, welche die Verwegenheit, trotz der augenscheinlichen Gefahr hier durchzuschiffen, mit dem Leben bezahlen müssen.

Unabsehbar erstreckt sich in einer langen Reihe viele Meilen weit der Wald von Masten, durch den wir schifften. Der Strom wimmelt wie die befahrenste Landstraße von Barken und kleinen Fahrzeugen aller Art; eben ankommende oder abgehende große Schiffe bewegen sich majestätisch durch sie hin, von allen Seiten ertönt das Rufen des fröhlichen Schiffsvolks, Lebewohl und Willkommen schallen durcheinander; die mit Auf- und Abladen beschäftigten Arbeiter an den Schiffen, die Schiffswerften am Ufer, alles verkündigt hier den Markt der Welt.

Sowie wir uns von London entfernten, boten die Ufer des Stromes uns von beiden Seiten die mannigfaltigsten, lachendsten Aussichten. Endlich, fünf englische Meilen von der Stadt, breitete sich das Invalidenhospital von Greenwich [Fußnote: 1694 gegründet und in dem durch Christopher Wren fertiggestellten Bau untergebracht; gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgelassen. Heute Marineschule.] mit seiner schönen Terrasse und allen seinen reizenden Umgebungen prächtig und groß vor unseren Augen aus.

Diese Freistatt, welche die Nation dem vom Kampfe mit den wilden Elementen endlich ermüdeten Helden darbietet, ist mit Recht ihr Stolz; denn die Welt hat dessengleichen nicht. Eigentlich sind es vier voneinander ganz abgesondert liegende Gebäude, die aber, von der Wasserseite gesehen, wie ein einziger großer Palast sich ausnehmen, geziert mit Säulen, Balustraden und aller Pracht der neueren Architektur. Eine große Terrasse, die eine entzückende Aussicht nach London zu bietet, zieht sich davor hin bis an den Strom, zu welchem man auf breiten steinernen Treppen hinabsteigt. Hier bestieg Georg der Erste [Fußnote: (1660-1727); Kurfürst von Hannover, erster englischer Monarch aus dem Hause von Hannover, das mit dem Ableben der Königin Victoria 1901 erlosch. Georg I. betrat am 29. September 1714 hier zum ersten Mal englischen Boden.] zuerst das Land, über welches er herrschen sollte. Mit welchen Erwartungen mag er nach St. James gefahren sein, wenn er vom Hospital auf die Residenz der Könige schloß!

Das ganze Gebäude ist aus schönen Quadersteinen erbaut. Vorzüglich bewundert man die mit fast verschwenderischer Pracht geschmückte Kapelle. Sie prangt mit Marmorsäulen, einem gut gemalten Plafond und jeder einem solchen Orte geziemenden Zierde. Einige schöne große Hallen dienen den Invaliden zum Spazierengehen bei schlechtem Wetter, besonders zeichnet sich die größte, mit einer Kuppel versehene Halle aus; sie ist hundertsechs Fuß lang und hat einen gut gemalten Plafond, schöne Säulen und Malereien. Ein angenehmer Park mit einer auf einem Hügel erbauten Sternwarte umgibt das Gebäude von der anderen Seite.

Es war ein schöner, menschenfreundlicher Gedanke, diese Ruhestätte am Ufer der Themse zu erbauen, im Angesichte aller ankommenden und auslaufenden Schiffe. Die abgelebten Helden haben hier den Tummelplatz ihres ehemaligen Lebens noch immer vor Augen; und dem in See stechenden Schiffer gibt der Anblick dieses Ruhehafens Trost und Mut. Nahe an dreitausend Veteranen ruhen hier von ihrem mühevollen Leben aus. Sie wohnen fürstlich, werden gut genährt und gepflegt, alle zwei Jahre neu, anständig, bequem gekleidet und erhalten wöchentlich ein gar nicht unbedeutendes Taschengeld zu ihren kleinen Bedürfnissen und Vergnügungen. In Krankheiten werden sie mit Sorgfalt gewartet. Sie sind nicht, wie in anderen Verpflegungsanstalten, von allem, was ihr Leben bedeutend machte, geschieden, sie leben und weben noch darin und kämpfen mit alten Kampfgenossen nochmals alle ihre gewonnenen Schlachten in froher Erinnerung, vor Gemälden, welche diese vorstellen und die Wände ihrer Speise- und Wohnsäle schmücken.

Besonders gut eingerichtet fanden wir die Schlafstellen. In langen, hohen, luftigen Sälen, welche zur Winterszeit von mehreren großen Kaminen erwärmt werden, sind auf der den Fenstern entgegengesetzten Seite eine Reihe Schiffskajüten ähnlicher Kabinette dicht aneinander gebracht. Jedes derselben hat neben der nach dem Saale ausgehenden Tür zwei Fenster und ist groß genug, um ein nach englischer Art geräumiges Bett, einen Tisch, einen Stuhl und einen Koffer zu enthalten. Es gibt nichts Netteres und Saubereres als diese kleinen Zimmerchen; jedes hat einen Teppich, Fenster und Bett sind mit reinlichen Vorhängen versehen, an den Wänden auf dazu angebrachten Leisten stehen die zierlichen Tabaks- und Teekästen, Gläser, Tassen und dergleichen in gefälliger Ordnung. Kupferstiche zieren die Wände. Jeder hängt daran nach Gefallen Bildnisse des Königs, der Königin oder berühmter Seehelden auf; dazwischen Seeschlachten, Häfen und auch wohl manche lustige Karikatur.

Hundertvierzig Witwen verdienter Seemänner wohnen ebenfalls im Hause, sie verrichten darin alle weiblichen Arbeiten, pflegen die Kranken und werden in aller Hinsichte ebenso gut gehalten als die Veteranen selbst. Auch für die Waisen der gebliebenen Seemänner ist hier gesorgt; denn einige hundert Knaben werden in einem abgesonderten Teile des Hauses zum Gewerbe ihrer verstorbenen Väter erzogen. Noch dreitausend Invaliden, die im Hause nicht Platz fanden, erhalten außer demselben Pensionen.

 

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