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Bristol

Die Reise von Gloucester nach Bristol ist eine der angenehmsten und der Charakter der Gegend völlig von dem des übrigen England verschieden. Sie ist mannigfaltiger, südlicher. Grün ist nicht mehr so ganz die prädominierende Farbe, obgleich die Vegetation sich auch hier in höchster Pracht darstellt. Schönere, größere Bäume als irgendwo, in gedrängten Gruppen, viele große Pflanzungen von Obstbäumen, mit Mauern statt der gewöhnlichen Hecken eingefaßt, zeichnen sie vor allen anderen in Großbritannien aus.

Hier glüht der Goldpepping [Fußnote: Goldreinette, Apfelsorte], der Stolz Englands, zwischen dem hellgrünen Laube und seufzt im Herbst unter der Presse, um später als Cider [Fußnote: Apfelwein, Most] die Herzen des Mittelstandes, der die teuren französischen und portugiesischen Weine nicht bezahlen kann, zu erfreuen. Hier reift die Birne auf hohen stattlichen Bäumen und liefert den Perry [Fußnote: Birnenwein, Most], der oft unter der Maske sprudelnden Champagners von den Weinhändlern teuer verkauft wird.

Der schöne Strom Avon belebt die herrliche Gegend, kleinere Schiffe schweben auf seiner silbernen Fläche. Nahe bei Bristol wird er tief genug, um selbst große Schiffe von vierzig bis fünfzig Kanonen zu tragen; acht englische Meilen weiter hin, in einer der reizendsten Gegenden, fällt er in den Severn See, eigentlich einen Meerbusen, der hier tief ins Land geht. Bristols Umgebungen sind unstreitig die schönsten in England; denn alles ist hier vereint: das Meer, der schiffbare Strom und Berg und Tal, Feld und Wald in höchstem Reichtume, den weiser Fleiß und ein vortrefflicher Boden nur gewähren können.

Die Stadt schien uns größer als Edinburgh. Straßen und Plätze sind breit, wohlgepflastert, voll regen Lebens, umgeben mit schönen Privathäusern sowohl als öffentlichen Gebäuden und Kirchen, unter denen die Kathedrale und die von St. Mary Redcliffe als ehrwürdige gotische Gebäude sich auszeichnen. Das Theater ist groß, bequem und elegant, so auch das in der Vorderseite mit korinthischen Säulen verzierte Gebäude, in welchem unter der Aufsicht eines Zeremonienmeisters die Assembleen und Bälle während der hiesigen Badezeit statt haben.

Man vergleicht Bristol mit Rom; denn wie jene Königin der Städte thront es ebenfalls auf sieben Hügeln, und einige davon gewähren von ihren Gipfeln eine sehr schöne Aussicht in das Land ringsumher. Die Straßen, die hinaufführen, sind aber größtenteils sehr steil. Außer dem schiffbaren Avon strömt auch noch ein kleinerer Fluß, der Frome, durch die Stadt; hübsche steinerne Brücken führen über beide Gewässer. Der Quai am Hafen ist prächtig, ein Meisterwerk seiner Art; aber schaudernd wandten wir uns von seinem Anblick; denn hier war der Ort, von welchem aus die unmenschlichste Gewinnsucht Schiffe zum Sklavenhandel ausrüstete, der Bristols Einwohner bereicherte. Blut und Seufzer von Millionen Menschen kleben an diesen Steinen. Indem wir dieses bedachten, wurde es uns unmöglich, heiteren Mutes die schönen Docks zu bewundern, welche hier, wie in Liverpool, Schiffe aus allen Gegenden der Welt sicher und bequem beherbergen.

Eine der schönsten Partien um Bristol gewährt King's Weston, der Landsitz des Lord Clifford. Die Fassade des Hauses ist groß und stattlich, wenn auch etwas schwerfällig und mit Verzierungen überladen; wir mochten uns aber mit näherer Betrachtung desselben nicht aufhalten; sogar die schönen Anlagen durchliefen wir nur flüchtig, so mächtig zieht hier die einfache Natur ringsumher von der ab, welche die Kunst zu schmücken versuchte. King's Weston liegt auf einer beträchtlichen Anhöhe. Blickt man von oben herab, so bietet sich von einer Seite dem Auge ein reizendes Tal dar, ausgestattet mit allem dem Reichtum, aller der Kultur, welche England zu einem der schönsten Länder Europas machen, und liebliche Hügel, mit aller Pracht der üppigsten Vegetation geschmückt, scheiden diesen reizenden Punkt der Erde von der übrigen Welt. Von der anderen Seite der Anhöhe von King's Weston sieht man den hier mächtigen Avon sich majestätisch hinwinden durch ein jenem Tale ähnlichen Paradies. Schiffe aus allen Gegenden der Welt, umtanzt von Gondeln und kleinen Schifferbarken, schweben auf seiner silberblinkenden Fläche. Lange verfolgt hier der Blick den Lauf des Flusses, sieht ihn immer mächtiger, immer breiter werden, sieht, wie die Felsen zu den Seiten immer pittoreskere, immer romantischere Formen annehmen, wie, ganz in blauer Ferne, das Meer zuletzt die Aussicht und zugleich den Lauf des schönen Stroms begrenzt, indem es ihn in seinen Schoß aufnimmt und auf ewig mit sich vereinigt. Lange waren wir in diesem bezaubernden Schauspiel verloren; endlich nahmen wir unseren Weg durch den mit ehrwürdigen Bäumen besetzten Park des Lord Clifford zu einem noch höheren Hügel, Penpole Point genannt. Noch einmal genossen wir hier dieselbe Aussicht, nur von einem anderen Standpunkt aus gesehen und noch reicher, noch ausgebreiteter, noch entzückender.

Ein sehr angenehmer Weg führt von da nach Clifton. Man nennt Clifton ein Dorf, aber es ist ein Dorf, wir möchten sagen, aus Palästen bestehend. Es liegt zerstreut, teils im Tale, teils auf der sonnigen Seite eines Hügels. Die schönen großen Häuser stehen bald in der in England so beliebten Form des halben Mondes, teils in langen Reihen auf Terrassen, teils einzeln, oder bilden auch breite Straßen und schöne, regelmäßige Plätze. Alles dieses ist durch Gärten, Felder, steile, wilde Felsen und sanfte Anhöhen auf das Reizendste vermannigfaltigt.

Einige dieser Gebäude werden für immer oder auch nur den Sommer hindurch von reichen, angesehen Familien bewohnt; der größere Teil derselben ist zum Gebrauche der Badegäste eingerichtet, deren jährlich eine große Anzahl herkommt, in der Hoffnung, Heil und Rettung in der lauwarmen Quelle zu finden, welche nicht weit entfernt von Clifton fließt. Leider oft vergebens; denn diese Quelle wird gewöhnlich als letztes Mittel gegen das traurigste aller Übel, die unser kurzes Leben bedrohen, gegen Schwindsucht und Auszehrung, angewandt.

Nirgends häufiger als in England wüten diese Krankheiten, die fast immer die jüngsten und liebenswürdigsten Opfer sich erwählten, und sie verschönen und verklären, indem sie sie zerstören. So blüht die vom Wurm gestochene Rose oft um so früher und schöner auf. Es ist ein herzzerreißender Anblick, die jungen, ätherischen Gestalten atemlos, halb schon Bewohner einer anderen Welt, in diesen elysischen Gegenden über den grünen Rasen hinwanken zu sehen und dann einen Blick auf den nahen Kirchhof, die Ruhestätte ihrer Vorgängerinnen, zu werfen, auf dessen Leichensteinen die Zahlen von zwanzig und fünfundzwanzig Jahren in einer langen traurigen Reihe fast ununterbrochen zu lesen sind.

 

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