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Studley Park. Fountain's Abbey. Hackfall

Ripon, ein freundliches, reinliches Landstädtchen, liegt in einer zwar bergigen, aber angenehmen fruchtbaren Gegend. Es ist ein Borough [Fußnote: ursprünglich Bezeichnung für eine Burg oder eine befestigte Stadt; Kreisstadt, die im Parlament vertreten ist: Parliamentary Borough] und hat also das Recht, bei jeder Parlamentswahl ein Mitglied zu wählen und nach London zu schicken. Nun gehören alle Häuser in Ripon einer alten achtzigjährigen Dame, die unermeßlich reich, auch die Besitzerin von Studley Park, Hackfall und mehrerer Güter im fruchtbaren Yorkshire ist. Sie allein, als die einzige Grundbesitzerin in Ripon, wählt also dies Mitglied, und das Gewicht, welches sie hierdurch in der Nachbarschaft, ja im ganzen Königreich erhält, ist fast nicht zu berechnen. Nach ihrem, wahrscheinlich jetzt schon erfolgten Tode erbt eine Miß Lawrence alle ihre Reichtümer und Rechte. Diese Dame, obgleich auch schon längst über die Jugendjahre hinaus, wird, wie man leicht denken kann, von Anbetern und Freiern umlagert, wie weiland Penelope, sie aber widersteht allen und erklärt laut: sie würde jetzt keinen heiraten, weil niemand sich um sie bewarb, ehe sie die reiche Erbin war, welche sie erst kürzlich durch den unerwarteten Tod ihres Bruders wurde. Miß Lawrence ward uns übrigens als sehr gut und auch im Äußern nicht unliebenswürdig geschildert.

Wir fuhren nach dem nicht weit entlegenen Studley Park: das Haus enthält nichts besonders Sehenswertes, auch die Außenseite desselben zeichnet sich auf keine Weise aus. Die sehr weitläufigen Spaziergänge gehören aber zu den schönsten in England.

Der Park hat einen, ihn von den gewöhnlichen Parks unterscheidenden ernsteren Charakter. Freie sonnige Partien, grüne Rasenplätze trifft man weniger, aber herrliche Schattengänge, unter dem Schutze himmelhoher Buchen und Eichen, am Abhange der bewachsenen Felsen, auf lachenden Höhen und in duftigen Tälern. Mit unbeschreiblichem Vergnügen wandelten wir hier und ahnten nicht, daß die Krone des Ganzen uns noch erst wunderbar überraschen sollte. Unser Führer, ein alter vernünftiger, eisgrauer Gärtner, seit mehr als vierzig Jahren hier in Dienst, öffnete plötzlich eine kleine, unscheinbare Gartentür, und wir erblickten in einem lieblichen grünen Tale die schönsten gotischen Ruinen, die wir je sahen.

Vom Morgenstrahl gerötet lagen sie da in stiller, feierlicher Pracht. Es waren die Überbleibsel von Fountains Abbey [Fußnote: in seinem Grundriß einer der gewaltigsten Klosterbauten Englands. Zisterziensergründung: 1132. Die Anlage verfiel unter der Regierungszeit Heinrichs VIII.; die Ruinen zählen zu den eindrucksvollsten der Welt], einem im zwölften Jahrhundert erbauten Kloster, nun schon seit zweihundertfünfzig Jahren in Trümmern. Diese zeugen vom ehemaligen ungeheuren Umfange. Das Dach fehlt gänzlich, die Seitenwände größtenteils auch; aber noch stehen, wie trauernde Geister auf dem Grabe der Vergangenheit, viele, reich mit Skulptur gezierte Säulen, die weiland das Schiff der Kirche ausmachten; feste Gewölbe, hohe Bogenfenster trotzen noch der Zerstörung, alles bezeichnet ehemalige hohe geistliche Pracht. Einige alte steinerne Särge stehen umher, gewaltsam ans Licht der Sonne gezogen. Deutlich zu unterscheiden ist noch die Stelle, wo sonst der Hochaltar war, so auch die Kreuzgänge, das Refektorium, der Versammlungssaal. Viele unterirdische Gänge und Gewölbe sind fast noch unversehrt; auch erkennt man eine Küche, und an dem die Wand schwärzenden Rauche die Stelle, wo sonst der Herd stand.

Fountains Abbey ist ein großes Grab vergangener Zeiten, dennoch drängt sich überall das frische Leben der ewig jungen Natur üppig hervor. Efeu umschlingt die verwitternden Pfeiler und kleidet sie in die Farbe der Hoffnung, junge Blumen und Sträuche nicken aus den hohen Bogenfenstern und von den Kapitellen der Säulen. In der Kirche wandelt man unter dem Schatten bejahrter Bäume. Überall neues Entstehen mitten unter den Trümmern der Zerstörung, überall die Lehre, Menschenwerk ist vergänglich, wie Menschenleben, aber der Geist der schaffenden Natur waltet fort, kennt weder Vernichtung noch Grenzen.

Welche Verzierungen für einen Park sind diese Ruinen, wie sinkt alles so kleinlich dagegen zusammen, was selbst große Fürsten auf ihren Landsitzen unternehmen, um nur etwas ähnliches zu erkünsteln! Der vorige Besitzer von Studley Park erkaufte sie freilich für eine große Summe, aber er gab seinen Besitztum dadurch einen hohen, einzigen Wert und sicherte zugleich diese heiligen Überreste zwar nicht gegen den langsam zerstörenden Zahn der Zeit, aber doch gegen vernichtenden Mutwillen, der leider überall dem Schönen droht.

Von Studley Park ging es nach Hackfall. Alle Parks, die wir bis jetzt sahen, erschienen uns als freundliche Punkte unserer Reise, an die wir noch nach Jahren gern zurückdenken werden; hier aber fühlten wir das Trostlose des Geschicks des Reisenenden, nur flüchtig am Schönen vorüberstreifen zu können und es nur im Bilde davonzutragen. Hier wünschten wir Hütten zu bauen. Wie schön muß sich's in diesem heimliche verborgenen Tale wohnen! Grünend, blühend liegt es zwischen malerisch geformten und bewachsenen Felsen. Wege schlängeln sich bald in schwindelnder Höhe, bald tiefer in lieblichen Schatten an den Bergen hin; ganz unten braust und blinkt und wogt ein spiegelheller Fluß, von allen Felsen rauschen und gaukeln Bäche zu ihm hinab, bald sprudelnd und schäumend, bald wie im leichten Tanz. Endlich gelangt man hinauf zur höchsten Höhe. Ein Pavillon ziert sie. Von dort aus blickt man weit ins offene fruchtbare Land. Da liegt die Welt vor uns und ihr unruhiges Treiben, und zu unseren Füßen das Tal mit seinem stillen Frieden. Zögernd, wider Willen, verließen wir abends diesen lieblichen Ort, über Berg und Tal rollten wir hin durch den schönen, fruchtbaren Teil von Yorkshire, bis Catterick Bridge, einem großen, ganz isoliert liegenden Gasthofe.

 

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