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Johanna Schopenhauer etwa um 1800

Johanna Schopenhauer wurde am 9. Juli 1766 in Danzig geboren und starb am 17. April 1838 in Jena. Sie war eine deutsche Schriftstellerin und Salonière (Gastgeberin eines der Kunst verpflichtenden literarischen Salons). Sie war die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer und der Schriftstellerin Adele Schopenhauer.


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Reise durch England und Schottland

Johanna und Adele Schopenhauer (Caroline Bardua: Oil on canvas, 1806) Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bardua_Schopenhauer.jpg

 ENGLAND

VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN ÜBER ENGLAND

 

Es ist eigentlich recht erfreulich, in diesem Lande zu reisen. Die schönsten Landschaftsgemälden ähnlichen Parks, die Gärten, die zweckmäßige Einrichtung der Häuser, der raffinierte Luxus, die Nettigkeit der Ordnung überall, die selbst in dem unbedeutendsten Hausgeräte sich zeigende Eleganz und Bequemlichkeit, machen Einen frohen Eindruck auf den Besuchenden. Man wünscht sich alle diese Dinge nicht, weil man ihrer nicht gewohnt ist, oft nicht einmal ihren Gebrauch kennt; aber man bekommt ein Gefühl von heiterem Lebensgenusse. Nur den Wunsch, sich der Kunstwerke recht zu erfreuen, sie zu studieren, vielleicht etwas zu kopieren, muß man nicht aufkommen lassen; denn seine Erfüllung ist in diesem Lande mit so vielen Schwierigkeiten umgeben, dass sie fast undenkbar wird.

Von den Schönheiten des Landes und der Wege, von den bequemen Gasthöfen, die man auch in den abgelegensten Gegenden findet und in welchen man nur einen wohlgefüllten Beutel braucht, um gleich so gut und vielleicht besser als zu Hause zu sein, von der trefflichen Einrichtung des Postwesens ist überall viel gesagt und geschrieben, und dennoch nicht zu viel, um dieses in seiner Art vollkommenste Ganze gehörig zu loben.

Für jetzt wollen wir uns aber darauf beschränken, eine allgemeine Idee eines englischen großen Landhauses mit seinen Umgebungen aufzustellen und alsdann versuchen zu beschreiben, was wir auf einer Reise von London durch das nördliche England nach Schottland zu sehen Gelegenheit hatten.

Ein englischer Park ist von dem, was man sich in Deutschland unter diesem Namen denkt, merklich verschieden. Er umfasst die das Wohnhaus oder Schloß zunächst umgebenden, eigentlich zu demselben gehörigen Ländereien und ist gewöhnlich von ziemlichen Umfange. Äcker und Wiesen, mit lebendigen Hecken zierlich eingefasst, durchschnitten von wohlgehaltenen Kieswegen zum Gehen und Fahren, liegen in seinem Bezirk, sowie auch einzelne Wirtschaftsgebäude von gefälliger, aber doch ihre Bestimmung andeutender Form. Überall hat man nach malerischen Effekten gestrebt, und die sanften Anhöhen und Vertiefungen dieses Landes erleichtern dieses Streben; aber immer ist das Nützliche mit dem Schönen vereint.

Der höchste Schmuck dieses Parks sind die üppige Vegetation der wohlbestellten Äcker, die unvergleichlich schönen grünen Wiesen und die prächtigen Bäume, größtenteils Eichen und Buchen, welche überall in Gruppen verteilt stehen. In England haben die Bäume das Eigne, daß sie mehr als in anderen Ländern gleich von der Wurzel an ausschlagen und kleinere Zweige treiben. Enge, durch dichte Schatten und Gebüsche sich hinschlängelnde Gänge findet man in keinem Parke; auch Gehölze sind, wie überall in England, selten. Man könnte sagen, es fehle Schatten, wenn nicht gerade in diesem Lande, wo bei sehr milder Luft dennoch die Sonne selten recht heiß und hell scheint, der Schatten entbehrlicher wäre als anderswo. Die Kioske, Tempel, Einsiedeleien unserer Parks fehlen dort ebenfalls; alle diese zur Zierde dienenden Gebäude sind in die vom Park ganz verschiedenen, das Haus näher umgebenden Anlagen, in die sogenannten Pleasure-Grounds verwiesen. Nur in sehr großen Parks, wie die von Blenheim oder Stowe, steht hier und da ein Obelisk, eine Pyramide oder ein Turm, um vom Schloß aus eine Ansicht zu gewähren.

An Wasser darf es nie fehlen. Künstliche Wasserfälle kennt man nicht Und noch weniger Springbrunnen. Fließt aber ein kleiner Fluß oder nur ein beträchtlicher Bach in der Nähe einer solchen Besitzung, so muß er, wenn auch mit großen Kosten herbeigeführt, sich in mannigfaltigen Krümmungen hindurchschlängeln. Fehlt es an lebendigem Wasser, so sucht man wenigstens einem stehenden Kanale den Schein davon zu leihen. Man gibt ihm eine leichte, natürliche Krümmung, verdeckt Anfang und Ende mit überhängendem Gebüsche, wirft schöne Brücken darüber und täuscht so das Auge, oder man verwandelt die Ufer eines Teichs in die unregelmäßigen Umgebungen eines kleinen Sees. Überall strebt man nach dem Schönen und flieht das Gesuchte, Steife, Pretiöse.

Die Staffage vollendet diese lebendige Landschaft. Hunderte von halbzahmen Hirschen und Rehen weiden beinahe ganz furchtlos auf den grünsten Wiesen der Welt; mit ihnen die schönsten Pferde, Kühe und Ziegen, besonders in der Nähe des Hauses, wo sich die Wiesen rings umher wie ein Teppich auf das herrlichste ausbreiten. Die schönen Gestalten dieser Tiere, ihre leichten freien Bewegungen, ihr Wohlsein geben dem Ganzen einen unbeschreiblichen Reiz.

Immer liegt das Wohnhaus auf einer sanften Anhöhe, alle Bäume sind aus seiner nächsten Nähe verbannt, damit Licht, Luft und Sonne kein Hindernis finden. Dennoch ist es nicht heiß in den Zimmern, teils weil es überhaupt in England nicht heiß ist, teils wegen der wenigen Fenster, die aber so verständig angebracht sind, daß jeder Teil des Gebäudes sein hinlängliches Licht hat.

Die äußere Ansicht der englischen Landhäuser ist aus unzähligen Kupferstichen bekannt genug. Selten herrscht ein ganz reiner Geschmack darin, oft sind sie mit Verzierungen überladen. Die Hauptfassade ist gewöhnlich mit Säulen geziert. Sind gleich die Verhältnisse derselben nicht immer die richtigsten, scheinen sie oft müßig dazustehen, so gewähren sie doch immer ein angenehmes, schattiges Plätzchen vor dem Hause, von welchem man recht behaglich ins Freie über den grünen Wiesenplan hinaussieht. Unter und vor diesen Säulen stehen unzählbare fremde Gesträuche und Blumen in Vasen, teils auf schönen Gestellen übereinander getürmt, teils auf den Stufen des Eingang und den Geländern zierlich geordnet. Der Luxus, den man mit diesen Pflanzen treibt, ist unglaublich. Täglich müssen die verblühten hinweggeschafft und andere an ihre Stelle gesetzt werden.

Höchst reizend ist der Anblick dieser Shrubberies. Florens Schätze werden aus allen Ländern der Welt hierher gezaubert. Doch auch über diese schönsten Kinder der Natur herrscht in England das eiserne Zepter der Mode. In der Zeit, aus welcher diese Beschreibung stammt, hatte sie gerade die Eriken oder Heidekräuter ihrer besonderen Huld gewürdigt. Man gab wohl fünfzig und mehr Guineen für so ein geruch-, oft farbenloses Kraut hin, wenn es nur aus einem recht entfernten Winkel der Erde herstammte. Große Orangerien sind in England, außer in den königlichen Gärten, selten anzutreffen.

Die innere Einrichtung der Häuser richtet sich hier, wie überall, nach dem Reichtum und Geschmacke des Erbauers, des Bewohners und des Zeitalters, in welchem sie entstand. Die meisten haben große, vollkommen erleuchtete und hohe Souterrains, in welchen sich die Küche, die Gewölbe zur Bewahrung der Vorräte nebst den Bedientenzimmern befinden. Letztere sind durchaus gut möbliert, ja die der Haushälterin und des Haushofmeisters (in England Butler genannt) sogar elegant, hübsch tapeziert, mit Mahagonimöbeln und guten Fußteppichen. Auch bei den Bedienten wird die englische Sitte beobachtet, daß sie außer ihren Schlafzimmern noch Wohnzimmer und Speisezimmer haben.

Aus dem Garten tritt man gewöhnlich zuerst in eine große, hohe, öfters von oben beleuchtete Halle, die mit Gemälden oder Statuen, Basreliefs oder Vasen geziert ist. Zu beiden Seiten liegen die verschiedenen Putz- und Wohnzimmer; ein langes Zimmer enthält die Bibliothek, deren schöne Schränke und zierliche Einbände sie zu einem der elegantesten Zimmer des Schlosses machen. In vielen Häusern ist es Sitte, daß die Familie sich zum Frühstück darin versammelt. Sonst gibt es noch Frühstückszimmer, Arbeitszimmer, Musikzimmer, Gesellschaftszimmer, (Drawingrooms), Wohnzimmer (Parlours), Speisezimmer, Spielzimmer in Menge, doch selten von ausgezeichneter Größe. Überall einfache Pracht, Fußböden, Treppen und Vorplätze mit schönen Teppichen belegt.

In vielen Häusern wechselt man im Sommer die warmen Winterteppiche mit kühlen, von gemalter Wachsleinwand, welche von beträchtlicher Dicke eigens dazu fabriziert wird. Mahagoniholz sieht man meistens nur an Treppengeländern, großen Eßtischen, Bettstellen; die Möbel in den herrschaftlichen Zimmern sind von fremden köstlicheren oder kunstreich lackierten Hölzern.

Man findet es bürgerlich, unmodisch, lächerlich, die Möbel an den Wänden hinzustellen, wie es in Deutschland gebräuchlich ist; in den Wohn- und Gesellschaftszimmern stehen alle in einem großen Kreis umher, so daß noch ein beträchtlicher Raum zum Spazieren zwischen den Stühlen, Sofas, Tischen und den Wänden übrig bleibt. Die Schreibtische sowohl als die Pianofortes sind immer mitten im Zimmer, wo eben das Licht am günstigsten fällt und man nicht von der Hitze nahe am Kamin oder vom Zug nahe am Fenster leidet. Noch müssen wir der Kamine gedenken, die, künstlich in Marmor gearbeitet oder mit brillantiertem Stahl geschmückt, eine der größten Zierden der Zimmer ausmachen. Schöne Vasen und prächtige Kandelaber prangen auf ihren Gesimsen. Der zweite Stock enthält die Schlafzimmer, welche indessen den Fremden nur selten gezeigt werden. Diese, besonders die der Damen, sind ein Heiligtum, in welches kein sterbliches Auge dringen darf. Oft hörten wir Engländerinnen mit wahrem Grausen von der Sitte der Französinnen sprechen, welche gerade ihre Schlafzimmer zum Besuchszimmer vorzugsweise erwählen.

So viel von der inneren Einrichtung der englischen Villen im allgemeinen. Kehren wir jetzt zurück zu den nächsten äußeren Umgebungen derselben.

Die Obst- und Gemüsegärten, die Treibhäuser liegen mit allen zur inneren Ökonomie gehörigen Gebäuden ganz nahe am herrschaftlichen Hause, werden aber durch mancherlei Vorkehrungen dem Auge entzogen. Diese Bezirke sind es, was der Engländer eigentlich Gärten (Gardens) nennt. Der zur Fußpromenade bestimmte Teil der Besitzung heißt Pleasure-Ground und liegt ganz nahe am Hause. Hier trifft man Ähnlichkeit mit den deutschen Parks: Gänge, die sich bald durch dichte Schatten, bald mehr im Freien hinschlängeln, Tempel, Säulen, Denkmäler, Ruheplätze und den ganzen architektonischen Reichtum der neueren Gartenkunst. Alle Gebäude sind von Stein, alle Geländer und Türen von schönem eisernen Gitterwerk. Hier blühen und grünen die vielen einheimischen Gesträuche, Bäume und Blumen neben den aus fremden Ländern herübergebrachten, die stark genug sind, den Winter im Freien zu ertragen.

Viele Pflanzen, die wir in Deutschland sorgfältig vor der Kälte schützen müssen, halten den durch Seeluft gemilderten englischen Winter aus, zum Beispiel der Laurus Tinus, da Heliotropium und der Jasmin (Jasminum officinale). Die beiden letzteren haben wir oft in einer Höhe von sechs bis acht Fuß sich an den Mauern hinziehen sehen.

Obstbäume aller art werden aus diesen Anlagen verbannt. Die verständige Weise, mit welcher alle Bäume mit Hinsicht auf Höhe, Wuchs und die dunklere oder hellere Farbe ihres Laubes geordnet sind, gibt dem Ganzen einen Zauber, den man fühlt, ohne sich ihn gleich erklären zu können. Alles ist zur schönsten befriedigenden Einheit gebracht. Das Auge wird sogar in Hinsicht der Entfernung eines Gegenstandes oft getäuscht. Die englischen Gärtner sind wahre Landschaftsmaler im Großen, ja wir möchten sie fast für die einzigen eigentlichen Künstler der Nation erklären. Jeden Vorteil, den Optik und die Regeln der Perspektive ihnen darbieten, wissen sie gar gut zu benutzen, ohne doch ins Kleinliche zu fallen. Mit den Nadelhölzern aller Art, den verschiedenen, uns zum Teil in Deutschland unbekannten, immergrünen Stauden und Sträuchern, deren einige sogar bisweilen im Dezember blühen, werden sehr schöne Effekte hervorgebracht. Gewöhnlich sieht man davon in der Nähe des Hauses eine Art Wintergarten an einem sonnigen Platz angelegt, in welchem man sich bei winterlichem Sonnenschein ergehen und, von allen Seiten durch das Grün getäuscht, in den Frühling hineinträumen kann. Solche Anstalten sind auf jener Insel notwendiger als bei uns: denn derselbe wunderliche Geist, der die Einwohner dieses Landes die nacht zum Tage umzuschaffen bewog, verwirrte auch den Lauf der Jahreszeiten. Der Winter herrscht in Hinsicht auf Kleidung und Vergnügen bis über die Mitte des Junius hinaus. Dann fängt der Frühling erst an, und so muß der Sommer und mit ihm der Aufenthalt auf dem Lande, welcher in der Regel erst im August und noch später beginnt, bis nach Weihnachten verlängert werden, damit jedem neben dem Unrecht auch sein Recht geschehe.

Der Haupteingang zum Park, ein oft sehr prächtiges Tor, hat zu beiden Seiten zwei kleine Gebäude, die Wohnung des Türhüters und seiner Familie, bei welchem sich jeder Einlaßbegehrende vermittelst einer Glocke meldet. Dieses Tor mit seinen Gebäuden, the Lodge genannt, ist eine Hauptzierde des Parks. Die beiden Pavillons sind bald im gotischen Geschmacke, bald im ägyptischen; sie stellen Türme, griechische Tempel oder auch nur artige, moderne Gartenhäuschen vor, je nachdem der Geschmack des Erbauers war. Immer hat der Türhüter eine freundliche, artige Wohnung darin, mit Küche und Keller und allem, wessen er bedarf, wohl versehen, und manche angesehene Familie in Deutschland würde zufrieden sein, einen solchen Sommeraufenthalt zu besitzen.

 

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