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Die italienische Große Oper

[Fußnote: das große Theater am Haymarket, bis 1714 The Queen's, nachher The King's Theatre genannt. 1789 abgebrannt, 1791 neu eröffnet (dieses Haus stand in seiner Größe kaum der Mailänder Scala nach), 1867 wieder abgebrannt und 1892 abgerissen, da niemand mehr Geldmittel für dieses kostspielige Theater aufbringen wollte.]

Von diesem großen Theater, dem Stolz der Nation, wenden wir uns jetzt zur italienischen Oper.

Obgleich die Vornehmsten es beschützten, so ist dieses Theater dennoch dem Volke verhaßt, weil es auf alle Weise dem Nationalgeiste entgegenstrebt. John Bull geht höchstens einmal hin, um sich hernach zeitlebens darüber lustig zu machen. Die fremde Sprache, das ganze ausländische Wesen, vor allem die französischen Tänzer erscheinen ihm wie ebenso viele Entheiligungen des vaterländischen Bodens. Längst wäre die ganze Anstalt zugrunde gegangen, wenn nicht der Großen Eitelkeit, Prachtliebe und Vorliebe für das Ausländische sie erhielte; deutlich sieht man, daß sie hier nicht gedeihen kann und trotz der großen Summen, die darauf verwendet werden, nur kümmerlich vegetiert.

Das Haus, noch größer als Drury Lane, enthält außer dem Parterre fünf Reihen Logen und zwei Galerien. Über und über mit Malereien überladen, schien es, ungeachtet der sehr glänzenden Erleuchtung, dennoch dunkler als die anderen Schauspielhäuser. Die Verzierungen waren ziemlich geschmacklos, überall schwärmen Amoretten zwischen tausend Schnörkeln und Girlanden auf dunklem Grunde; das Ganze erschien bunt, aber nicht heiter.

Dieses Theater ist der glänzendste Vereinigungspunkt des hohen Adels, dem es hauptsächlich seine Erhaltung verdankt; wer sonst auch noch auf feinen Ton, auf Bildung, auf hohen Stil Anspruch macht, der tut wenigstens als besuche er es fleißig und sei jedes Mal entzückt, wenn er auch noch so oft mit geschlossenem Munde während der Vorstellung gähnen mußte. Alle Logen von unten bis oben sind zu Preisen vermietet, für welche man in mancher Stadt des festen Landes ein ganzes Haus nich allein mieten, sondern sogar kaufen könnte.

Vom Monat Dezember bis Ende Junius sieht man wöchentlich zweimal, dienstags und sonnabends, in diesen Logen die schönsten, berühmtesten, reichsten und vornehmsten Damen des Reichs in ihrem prunkvollsten Schmucke versammelt. Strahlend von Diamanten sitzen sie in langen Reihen und gewähren einen Anblick, der das eigentliche Schauspiel weit übertrifft. Wer nicht abonniert ist, muß ins Parterre, welches hier an Rang den Logen gleichgehalten wird. Das Billett kostet eine halbe Guinee, und die Etikette befiehlt auch hier in Gala zu erscheinen, die Herren in Escarpines, den Dreieck unterm Arme, die Damen auf's schönste geschmückt; sonst wird man auf die erste Galerie gewiesen, die halb soviel kostet als das Parterre. Ob sich aber dort im sechsten Stockwerk viel sehen und hören läßt, müssen wir billig bezweifeln.

Unser Schicksal wollte, daß wir die von Winter komponierte Oper "Calypso" sehen sollten, denn an eine Wahl ist hier nicht zu denken [Fußnote: Peter von Winter (1754-1825), einst international angesehener Komponist, seit 1788 in München Hofkapellmeister. Schrieb über 40 Opern, ferner Oratorien, Messen, Kantaten und Kammermusik. Zur Einstudierung seiner Oper "Calypso" weilte Winter 1803-05 in London.]. Mehrere Wochen hindurch erscheint eine und dieselbe Oper, ein und dasselbe Ballett ununterbrochen hintereinander fort, bis Sänger und Tänzer es müde sind; denn das Publikum in den Logen ermüdet nicht, immer das nämliche zu sehen und es vortrefflich zu finden. Kaum dreimal werden den Winter über die Vorstellungen gewechselt.

Die berühmte Billington erschien als Calypso wenig zu ihrem Vorteile. [Fußnote: Elizabeth, geb. Weichsel; geboren in London als Tochter eines deutschen Musikers, gestorben 1818. 1794-1801 weilte sie in Italien, kehrte dann nach London zurück und blieb bis 1809 am Theater.] Ihre reichlichen vierzig Jahre konnte man übersehen, wäre sie nur nicht so unerlaubt dick gewesen, wie wir noch nie eine weibliche Gestalt auf dem Theater erblickten, hätte sie sich nur bemüht, durch Spiel und Ausdruck Jugend und Gestalt zu ersetzen. Aber sie hielt es unter ihrer Würde, Schauspielerin zu sein; bewegungslos stand sie da und sang, und glaubte damit schon ein übriges getan zu haben. Die Engländer hielten sie für die erste Sängerin der Welt. Ihre Stimme war in der Tat rein, voll und besonders in der Höhe von großem Umfang, dabei kunstmäßig gebildet, aber Ausdruck und Vortrag fehlten ihr ganz. Wie es ihr vorgeschrieben war, so sang sie alles richtig hintereinander ab, gleich einem Uhrwerke; brachte hin und wieder Kadenzen und Triller an, wobei dem Zuhörer der Atem verging, und glaubte so die höchste Stufe der Kunst erreicht zu haben. So ein Triller von einer Viertelstunde, darüber geht dem Egländer kein Gesang der Welt.

Alle übrigen Sänger und Sängerinnen, größtenteils Italiener, waren fast noch weniger als mittelmäßig. Unter den schlechtesten als die schlechteste zeichnete sich die zweite Sängerin aus, und man sagte uns, die Direktion hätte sie bloß engagiert, weil ihr die Kleider ihrer Vorgängerin wie angegossen paßten.

Das Orchester war lobenswert, die Dekorationen recht hübsch, aber bei weitem nicht mit denen der anderen Theater in London zu vergleichen. Die ganze Anstalt schien uns mit einer Mesquinerie [Fußnote: Kleinlichkeit] betrieben, die sowohl der großen Summen, welche darauf verwendet werden, als des Publikums, das sich dort versammelt, unwürdig ist.

Sehr vergnügt sahen wir den Signore Telemaco endlich seinen Luftsprung machen und freuten uns auf das Ballett. Leider aber hatte auch dieses drei Akte und schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Es war ein moralisches, sentimentales Wesen. Mlle. Parisot, L'Arborie, dessen Frau und noch einige, deren Namen uns nicht beifallen, waren vortrefflich. Die Haupttänzer sind es immer; denn man engagiert alljährlich ausgezeichnete Künstler aus Paris für die Saison um große Preise. Desto schlechter stechen aber die anderen Tänzer, noch mehr die Figuranten dagegen ab, sowohl in Hinsicht der Kunst als der Kleidung; nirgends eine Spur des Geistes, der uns im Pariser Ballett in eine andere Welt versetzt.

Nach ein Uhr kamen wir ermüdet, als hätten wir mitgetanzt, zu Hause an, um sieben Uhr waren wir schon hingefahren.

 

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