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Woburn-Abbey
[Fußnote: Johanna trat die Reise nach längerem Aufenthalt in London mit ihrem Gatten am 30. Juni oder 31. Juli 1803 an]
Dieser Landsitz, der erste, welchen wir besuchten, ist das Eigentum des Herzogs von Bedford, des reichsten Particuliers und zugleich des größten Ökonomen in England. Sein Bruder, der Ökonomie mit noch größerem Eifer ergeben, starb vor wenigen Jahren, sechsunddreißig Jahre alt, und hinterließ dem jetzigen Besitzer, welcher sich dem geistlichen Stande gewidmet hatte, das große Vermögen.
Woburn liegt eine Tagesreise von London entfernt. Das erste, was man uns hier zeigt, waren natürlicherweise die Wirtschaftsgebäude, vor allem die Viehställe: denn der Herzog, wie seine Vorgänger, beschäftigt sich hauptsächlich mit diesem Zweige der Landwirtschaft. Auch machen die vierbeinigen Eleven aller Art ihrem Erzieher Freude und Ehre. Sie tragen bei den in England gewöhnlichen Preisbewerbungen in Hinsicht der Größe, Schönheit und des Gedeihens gewöhnlich über alle anderen Mitbewerber den Preis davon. Dafür wird auch alles getan, um ihr Andenken nach ihrem leider fast immer gewaltsamen Tode zu verewigen. Im Schloß wimmelt es von gemalten oder in Stein gehauenen ähnlichen Bildnissen der wohlgeratensten unter ihnen. Viele davon sind sogar in Kupfer gestochen, und ihr Porträt prangt in den Londoner Kupferstichläden neben anderen berühmten Porträts von großen Gelehrten oder Ministern.
So wenig wir auch vom Landhaus verstehen mochten, so war es uns doch unmöglich, die Ordnung überall und die zweckmäßigen Einrichtungen ohne Vergnügen und Bewunderung zu sehen. Man zeigte uns viele in diesem Lande der Industrie erfundenen Maschinen, um die ländliche Arbeit zu vereinfachen, zu erleichtern und einträglicher zu machen. Zum Beispiel eine Dreschmaschine; eine andere um das Getreide abzuschälen, damit kein Mehl in den Kleien verlorengehe; noch eine, womit man in der Mühle vier Sorten Mehl mit einem Mal durchbeutelt, und noch manches andere von dieser Art.
In den Viehställen herrscht eine unglaubliche Reinlichkeit, besonders da, wo wir sie am wenigstens vermuten konnten, im Schweinestalle. Die Bewohner dieses Orts hatten aber auch ein so gesegnetes Gedeihen, waren so groß und von der Last ihres Fettes so niedergedrückt, daß sie uns völlig lebensmüde erschienen. Noch zeigte man uns verschiedene ihrer Schönheit wegen berühmte Stiere und einige indianische Kühe. Letztere haben einen geraderen Rücken und einen kleineren Kopf, übrigens sehen sie wie andere Kühe aus.
Der Park mit seinen herrlichen Wiesen und den ehrwürdigen Bäumen ist von pittoresker Schönheit. Herden zahmer Hirsche und Rehe grasten darin umher, zu achtzig Stück und mehrere zusammen, mitten unter ihnen die schönsten, größten Schafe, einige asiatische mit dicken Fettschwänzen. Die furchtlose Ruhe dieser Tiere von so verschiedenen Gattungen erfreute uns jedes Mal, so oft wir den lieblichen Anblick auch sahen; sie führte ein Bild der schönen goldenen Zeit vor die Seele.
Das an sich große Schloß zeichnet sich vor andren weder durch besondere Pracht noch große Schönheit aus. Es ist zu neu, um ehrwürdig, zu alt, um elegant zu erscheinen. Nur montags steht es Fremden offen; für uns traf es sich diesmal sehr glücklich. Wir durchliefen eine Menge Zimmer voll Gemälden, größtenteils Porträts. Sechs große wunderschöne van Dycks, ganze Gestalten in Lebensgröße, fielen uns besonders auf. Dann auch das Porträt des unglücklichen Grafen Essex, ebenfalls in Lebensgröße. Er hatte eine schlaue, höchst bedeutende Physiognomie und einen ganz roten Bart. Ihm gegenüber hängt das Porträt der Königin Elisabeth, im geschmacklosesten, übertriebensten Putz, ohne allen weiblichen Reiz. Der historischen Gemälde und Landschaften, größtenteils aus der niederländischen Schule, sind eine große Anzahl, und darunter gewiß Stücke von hohem Werte. Auch eine sehr elegante Bibliothek befindet sich im Schlosse.
Das Orangeriehaus ist einfach prächtig. Acht große Marmorsäulen tragen in der Mitte desselben eine von oben erleuchtete Kuppel und umgeben eine große, mit Basreliefs geschmückte antike Marmorvase, über die man ein ganzes Buch schreiben könnte und an der wir flüchtig vorübereilen mußten.
Zu beiden Seiten der Orangerie ist eine oben bedeckte Promenade angebracht: sie bildet einen halben Kreis und dient zum Spazierengehen bei schlechtem Wetter und im Winter. Geißblatt, Rosen, echter Jasmin, Heliotrop und viele andere ähnliche Gewächse umranken die Pfeiler und die auf ihnen ruhenden Bogen, welche die Bedachung tragen; unzählige seltene und schöne Blumen und Gewächse stehen in Vasen, der Promenade entlang.
Ganz in der Nähe ist das Reithaus, ein anderes Haus zum Ballschlagen und eine Art von Pracht-Milchkammer, mit Fenstern von gemaltem Glase. Alle zur Milcherei gehörigen Gefäße sind darin von seltenem japanischen und chinesischen Porzellan--Die eigentlichen Spaziergänge fanden wir, im Vergleich mit den übrigen, weder groß noch prächtig, aber geschmackvoll angelegt.