Beitragsseiten

Lancaster

Nachdem wir den See Windermere, die Krone dieser berühmten Gegend, gesehen hatten, hielten wir es für überflüssig, auch die übrigen kleineren Seen der Reihe nach zu besuchen und setzten daher unseren Weg weiter fort nach Lancaster. Das Land umher ist angebaut wie ein Garten, die Stadt selbst ist weder groß, noch lebhaft, noch hübsch. Viele Quäkerfamilien [Fußnote: eine um die Mitte des 17. Jahrhunderts vom G. Fox gegründete Religionsgemeinschaft. Zu Beginn Verfolgungen ausgesetzt, gaben auch ihren Anhängern 1689 die Toleranzakte Wilhelm III. Religionsfreiheit. Heute vor allem in den USA (Pennsylvania) noch verbreitet] bewohnen sie. Diese guten Leute stellen sich jetzt im Äußeren mehr den Kindern der Welt gleich. Selten nur hört man noch das alte treuherzige "Du" aus ihrem Munde; auch von der feierlichen Steifheit ihrer Bewegungen und Kleidung haben sie vieles nachgelassen; dennoch bleibt immer genug, um sie vor anderen auszuzeichnen.

Die Mädchen und Frauen von Lancashire sind unter den Namen der Hexen von Lancaster, Lancaster Witches, als die schönsten in ganz England berühmt, und wir trafen fast bei jedem Schritt in der Stadt Lancaster auf Beweise, daß sie dieses Ruhms vollkommen würdig sind. Reizenderes gibt es nicht als die hiesigen Quäkermädchen in ihrer anspruchslosen, bescheidenen Tracht. Die dunklen Farben, in welche sie sich gewöhnlich kleiden, die Schürze und das große Halstuch vom allerfeinsten Musselin, das schwarzseidene Hütchen, alles ohne die mindeste Verzierung, geben den frischen, blühenden Gesichtern eine unendliche Lieblichkeit. Es ist etwas Klösterliches in ihrer Erscheinung; aber da sie frisch und frei in Gottes Luft umherwandeln, so erregen sie nicht das beängstigende Mitleid wie die Nonne; auch ist ihre einfache, reinliche Kleidung dem Auge weit angenehmer, als jene gotische entstellende Verhüllung.

Wir reisten über das sehr hübsche, freundliche Fabrikstädtchen Preston nach Liverpool. Gleich hinter Preston glaubten wir uns wie durch einen Zauberschlag aus England nach Holland versetzt. Das Land so flach als möglich, unabsehbare Wiesen, von Kanälen durchkreuzt, Gräben voll Wasser an beiden Seiten der mit Steinen gepflasterten Landstraßen, alles genau wie in Holland, nur das nette, geschniegelte Ansehen der holländischen Landhäuser fehlte. In England wird kein Haus von außen gemalt oder abgeputzt; in wenigen Jahren bekommen daher die Backsteine, aus welchen die meisten erbaut sind, ein altes, rauchiges Ansehen, welches dem nicht daran gewöhnten Auge mißfällt. Nichts ist dagegen hübscher und freundlicher als die ländlichen Wohnungen in Holland; das Holzwerk wird dort regelmäßig alle Jahre mit Ölfarbe angestrichen, die Ziegelsteine werden rot gefärbt, die Fugen derselben weiß gemacht; alles sieht daher immer neu aus und gibt dem Ganzen ein unbeschreiblich fröhliches und wohlhabendes Aussehen.

 

Reiseberichte