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Badeorte

Es wimmelte in England von Badeorten aller Art. Jeder am Ufer des Meeres gelegene Ort, dessen Strand und andere Umgebungen es erlauben, ist zum Bade eingerichtet. In allen findet man mehr oder weniger, vornehmere oder geringere Gesellschaft, je nachdem die Mode es gewollt hat. Zu diesen Badeplätzen sowohl als zu den im Lande gelegenen mineralischen Quellen flüchtet jeder, der keine eigene Villa besitzt, oder auf keiner eingeladen ist, und doch der Schande entgehen will, im Sommer in London gesehen zu werden.

Bekanntlich ist dann die Stadt (so heißt London vorzugsweise in ganz England) leer, obgleich die Straßen von Menschen wimmeln und der Fremde diese angebliche Öde gar nicht bemerkt. Alle Leute, welche man vom Anfang Julius bis gegen Weihnachten in London sieht, sind sogenannte Niemands (Nobodies) und werden gar nicht gerechnet. Die feinere Welt, die Müßigen, die Reichen, die Glücksritter, alles flüchtet aufs Land oder ins Bad. Die Seebäder sind im ganzen die besuchtesten und luxuriösesten. Die mineralischen Quellen werden öfter von der mittleren Klasse besucht, welche dort mehr ländliche Freuden als rauschende Ergötzlichkeiten sucht. Bath macht hiervon eine Ausnahme: im Sommer besuchen es die wahrhaft Kranken, die Lahmen und Gichtbrüchigen der warmen Quellen wegen. Die eigentliche Saison aber fängt dort erst im Dezember an und währt bis zum Frühjahr. Alle Londoner Freuden sind alsdann wohlfeiler und nach verjüngtem Maßstabe auch in Bath zu finden. Deshalb eilen die dorthin, welche gern groß und vornehm leben möchten und doch nicht reich genug sind, um dieses in London zu können. Viele große Familien bringen einige Winter in Bath zu, um durch diese Ökonomie ihren zerrütteten Finanzen wieder aufzuhelfen.

Nach Bristol hingegen treibt selten die Freude, öfter die Not, so ausgezeichnet schön auch die dortige Gegend ist. Man weiß, wie viele Opfer die Schwindsucht jährlich in England hinwegrafft. Bristols Quelle wird gewöhnlich als der letzte Versuch der Rettung von den englischen Ärzten angeraten. Daß es wirklich oft der letzte sei, bezeigen die vielen Denkmäler auf dem dortigen Gottesacker.

An allen diesen Plätzen ist die Lebensweise sehr verschieden: in den kleinen Bädern, wie in Matlock, lebt man still und ruhig, geselliger zwar, wie es sonst in England unter Unbekannten gebräuchlich ist, aber dennoch weit weniger so als in Deutschland in ähnlichen Verhältnissen.

In den großen, von den Vornehmen besuchtesten Bädern herrscht eine strenge, wunderliche Etikette. Wir werden weiterhin Gelegenheit finden, hiervon ausführlicher zu sprechen. Vorjetzt kommen wir zu Matlock und seinen Umgebungen.

 

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