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Vauxhall

[Fußnote: der Vergnügungspark entstand um die Mitte des 17. Jahrhunderts und wurde gegen 1830 aufgelassen. Vauxhall, ursprünglich der Name eines Dorfes, heute ein Stadtteil von London, diente in der Zeite der Blüte des Vergnügungsortes auch für ähnliche Anlagen in anderen Städten, so auch in Edinburgh, von dem Johanna berichtet.]

Reizender, blendender, feenhafter läßt sich nichts denken als dieser, in einer kleinen Entfernung von London am Ufer der Themse gelegene Garten, besonders in sogenannten Galanächsten, wenn er zur Feier des Geburtstages irgend eines Mitglieds der königlichen Familie in doppelter Erleuchtung prangt. Gegen fünfzehntausend wohlgekleidete Männer und Frauen wandeln dann im Schimmer unzähliger Lampen auf diesem magischen Flecken Erde zwischen schönen Bäumen und blühenden Sträuchern im fröhlichsten Gedränge umher. Musik tönt durch die laue Sommernacht, alles atmet Lust und Vergnügen; es ist, als beträte man das Paradies der Mohammedaner. Nirgends sieht man herrlichere Gestalten als hier, wo die in allen Farben prangende sonnenhelle Beleuchtung jeden Reiz erhöht.

Gleich der Eintritt in diesen Zauberort überrascht und blendet. In der Mitte eines großen, ringsum mit schönen Bäumen umgebenen Platzes erhebt sich das Orchester hoch in die Luft. Aus tausendfarbigen Lampen zusammengesetzt, strahlt es blitzend gegen den dunklen nächtlichen Himmel wie ein aus Edelsteinen erbauter Feenpalast. Leicht und lustig steht das phantastische Gebäude da, und doch innerlich fest genug, um nahe an hundert Personen sicher zu tragen.

Hinter den ebenfalls erleuchteten Bäumen ziehen sich oben bedeckte Arkaden hin, unter welchen mehrere hundert kleine Bogen und Pavillons angebracht sind. Auch an diesen Arkaden reiht sich Lampe an Lampe; oben, unten, an den Seiten, überall funkelndes Licht und brennende Farbenpracht. Von diesem Platze aus laufen mehrere hell erleuchtete Alleen neben einigen dunklen. Letztere betritt die gute Gesellschaft nie. Transparente Gemälde endigen die erleuchteten Alleen; Säle mit Statuen, Transparenten, Blumen und kristallenen Girlanden geziert, bieten Schutz gegen Kälte, Wind und plötzlich einfallenden Regen. In einigen vom Orchester entlegenen Sälen spielen kleine Musikchöre.

Mehr als hundert wohlgekleidete, gewandte Aufwärter stehen neben den Bogen, welche den großen Platz umgeben. Jedes Winks bereit, besetzen sie im Nu die darin fertig gedeckt stehenden Tische mit allem, was man an einem solchen Orte von kalten Speisen und Getränken verlangen kann.

Das Orchester besteht größtenteils aus Blasinstrumenten. Wir hörten hier unter anderen ein Konzert auf der Trompete in einer Vollkommenheit, deren Möglichkeit wir nie geträumt hätten. Ein im Dienste des Prinzen von Wales stehender Künstler blies es.

Auch die beliebtesten englischen Theatersänger, einige wenige der vornehmsten ausgenommen, lassen sich hier mit einzelnen Arien, Volksliedern, Kanons und vielstimmigen Gesängen hören. Im Freien klingt jede Musik gut, aber der Effekt, den diese aus dem Feentempel erschallenden mächtigen Töne in der funkelnden, schweigenden Nacht hervorbringen, ist unbeschreiblich; denn trotz der großen Menschenmenge hört man doch nirgends wilden Lärm auf diesem Platze. Schweigend oder flüsternd wandelt alles umher und horcht der Musik, bis eine Glocke uns in einen etwas abgelegenen Teil des Gartens ruft.

Dort sehen wir in einem großen, sich bewegenden Gemälde einen Wasserfall auf das täuschendste dargestellt. Man hört das wilde Rauschen der Flut und sieht sie in stäubendem Schaum sich verwandeln. Die Szene belebt noch eine am Fuße des Wasserfalls angebrachte Brücke, über welche mancherlei Fuhrwerke, Fußgänger, Reiter und Tiere passieren, alles auf's natürlichste und täuschendste dargeboten.

Von hier kehrt man zum Orchester zurück, von welchem um diese Zeit gewöhnlich eine große Arie oder sonst ein ausgesuchtes Tonstück erschallt; dann lustwandelt man in den hellen Alleen und besucht die verschiedenen Säle. Pfeilschnell verfliegt die Zeit; ehe man es erwartete, ist's Mitternacht. Eine zweite Glocke ruft uns in einen anderen Teil des Gartens, zu einem artigen Feuerwerke, bei welchem man aber freilich nicht an die Flammenpracht im Wiener Prater denken muß. Nach dem Feuerwerke verteilt sich der größte Teil der Gesellschaft in die Logen, wo man in kleinen, selbstgewählten Kreisen fröhlich zu Abend ißt und dabei die draußen umher wandelnde schöne Welt die Musterung passieren läßt.

Späterhin wird auf dem grünen Rasen in der Nähe des Orchesters getanzt. Die Damen, welche hier tanzen, mögen freilich wohl nicht die unbescholtensten sein. Schwerlich würde sich in London ein Mädchen von gutem Rufe zu einer solchen öffentlichen Ausstellung verstehen; auch bemerkten wir fast immer dieselben Tänzerinnen und schließen daraus, daß sie vom Unternehmer der Anstalt hier zu tanzen engagiert sind. Indessen, sie tanzten mit dem Ausdruck der Freude und dennoch anständig, so daß sie eine vollkommene Illusion hervorbrachten. Alle waren schön, jung und wohlgekleidet, und so fragte niemand danach: wer sie wohl eigentlich sein möchten?

Gewöhnlich bricht der Tag über alle diese Freuden an, doch pflegt die gute Gesellschaft sich vor zwei Uhr zu entfernen; später artet der Ton aus und wird zuweilen zu wild und baccantisch, als daß man gern dabei verweilen möchte.

 

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