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Englische Gasthöfe
Die Annehmlichkeiten eines solchen Gasthofes in England kennt man auf dem festen Lande nicht; darum erlauben wir uns hier einiges darüber zu sagen. Durchgängig, auch in den Städten, sind die englischen Gasthöfe sehr lobenswert: Zimmer, Betten, Bedienung, Reinlichkeit übertreffen alles, was man in anderen Ländern in dieser Art antrifft, aber wir möchten fast behaupten, daß die guten Gasthöfe auf dem Lande wieder die in Städten in dem Maße übertreffen wie jene die deutschen.
Die Teuerung ist auch nicht so groß, als man denken möchte, wenn man nur erst die Sitte kennt. Der Umstand, daß man durchaus nicht portionsweise speist, ist freilich unangenehm. Alle Vorräte des Hauses an Fleisch, Fischen, Gemüsen und dergleichen sind mit der höchsten Sauberkeit und mit einer Art Eleganz in einem auf dem Flur befindlichen, mit Glasfenstern versehenden Kabinett zur Schau gestellt. Hier trifft man gewöhnlich die Wirtin oder ihre Stellvertreterin an. Außer einigem Backwerk findet man nichts fertig zubereitet; die Häuser, in welchen die öffentlichen Fuhrwerke zu bestimmten Stunden einkehren, machen jedoch hiervon eine Ausnahme. In diesen ist mittags oder abends der Tisch gedeckt, an welchem die ankommenden Reisenden um einen festgesetzten Preis in Gesellschaft speisen können. Außer diesem aber muß der einzelne Fremde in jenem Vorratsmagazine seine Mahlzeit und die Art der Zubereitung selbst wählen und geduldig warten, bis sie fertig ist. Wählt man nun einen Hammel- oder Rinderbraten oder sonst ein großes Stück, so bekommt man es ganz auf den Tisch und muß es auch ganz bezahlen, wenn es gleich kaum angeschnitten wieder abgetragen würde. Dies ist freilich nicht angenehm, aber der Landeskundige weiß sich einzurichten und bestellt kleinere, leichter zu bereitende Gerichte. Das Logis ist nicht teuer. Für das Zimmer, in welchem man speist und den Tag zubringt, wird, auch bei längerem Aufenthalt, gewöhnlich nichts gerechnet, es sei denn, daß man nur im Hause wohne und immer auswärts speise. Im Schlafzimmer bezahlt man nur das Bette, und dieses kostet selten mehr als einen Schilling die Nacht. Und welch ein Bett! Die schönsten Matratzen, die feinsten Bettücher und Decken. Schöne Vorhänge umgeben das Bett, ein hübscher kleiner Teppich liegt davor, eine feine weiße Nachtmütze und ein Paar Pantoffeln fehlen auch nie dabei, deren sich reisende Engländer, die immer wenig Gepäck mit sich führen, ohne alle Scheu bedienen.
Es ist uns immer aufgefallen, wie dieses Volk, bei aller Reinlichkeit, tausend kleine Rücksichten nicht kennt, die dem Deutschen, noch mehr dem Franzosen, zur Natur geworden sind. Kein Engländer, zum Beispiel, der nicht zu den vornehmsten Klassen gehört, wird sich weigern, mit andern aus einem Glase oder Porterkruge zu trinken, oder mit Bekannten, auch wohl Fremden, in einem Bette zu schlafen, wenn es im Hause an Raum fehlt.
Auch in den Städten erscheint der Wirt gleich, um den Fremden beim Austritte aus dem Wagen zu empfangen, aber auf dem Lande ist's, als käme man zu einem längst erwarteten Besuch. Der Wirt öffnet selbst den Schlag und hilft dem Reisenden heraus; in der Tür steht die Wirtin; mit dem freundlichsten Gesichte von der Welt knickst sie ein halbes Dutzend Mal kurz hintereinander, bemächtigt sich der reisenden Damen sogleich, führt sie in ein besonderes Zimmer und sorgt auf alle Weise für ihre Bequemlichkeit, während ihr Mann bei den Herren die Honneurs macht. Wenn man auch nur die Pferde wechselt, ohne das geringste zu verzehren, so bleibt diese Höflichkeit sich dennoch gleich: Wirt und Wirtin begleiten die Reisenden an den Wagen, danken für die erzeigte Ehre und bitten, bald wieder zu kommen. Freilich haben die Wirte auf jeden Fall einigen Nutzen von den Reisenden, da sie die Post für eigene Rechnung bedienen.
Je weiter man in's nördliche England dringt und sich Schottland nähert, je mehr nimmt diese Aufmerksamkeit der Wirte zu, verbunden mit einer Art Kordialität, die unangenehm auffällt. Der Wirt bringt immer die erste Schüssel auf den Tisch, sei sein Gasthof noch so groß und ansehnlich; ihm folgt seine Frau, selbst alle Kinder des Hauses, die nur einigermaßen sich dazu schicken, folgen dem Alter nach in Prozession, alle bringen etwas; oft sahen wir zuletzt so einen kleinen goldlockigen Cherub von drei, vier Jahren geschäftig mit einem Pfefferbüchsen dahergetrippelt kommen. Die Aufwärter, Waiters, scheinen Flügel zu haben, so schnell kommen sie auf jeden Klingelzug, und in allen Zimmern hängen gute, gangbare Klingeln, welche der reisende Engländer nach Herzenslust handhabt.
So wie es keine aufmerksameren Wirte gibt, so gibt es auch keine viel verlangerenden Gäste als in England. Das Wirtschaftswesen wird aber gewissermaßen fabrikmäßig betrieben: jeder hat sein Departement, und so geht alles in schneller Ordnung. Die Pferde besorgt der Stallknecht, Hostler genannt, hat aber wohl im Stalle seine Untergebenen zum eigentlichen Dienste, denn er selbst sieht zu elegant dazu aus; er nimmt nur die Befehle der Fremden an und führt die Pferde vor. Dann ist noch der Stiefelwichser; dieser, gewöhnlich der pfiffigste und gescheiteste vom ganzen dienenden Personal, wird schlechtweg Boots, Stiefel, gerufen, und ist eine sehr wichtige Person im Hause. Er besorgt gewissermaßen die auswärtigen Angelegenheiten, bestellt Kommissionen, führt die Fremden im Orte herum und gibt von allem Rede und Antwort. Unaufhörlich hört man in einem ganz eigenen, hellklingenden Fistelton durchs ganze Haus "Boots!" rufen, und immer ist er zur Hand.
Abends beim Zubettegehen wird jedesmal das Kammermädchen, Chambermaid, gerufen, sie erscheint im feinen kattunenen Kleide, mit einer schneeweißen Musselinschürze, einem artigen Spitzenhäubchen, kurz, so nett und damenhaft gekleidet als möglich. Ihr Amt ist, den Fremden, ohne Unterschied der Person und des Geschlechts, einen Nachttischleuchter mit einem Wachslicht anzuzünden, ihn in's Schlafzimmer zu führen und zuzusehen, daß es ihm an keiner Bequemlichkeit mangle. Dies geschieht jeden Abend, und wenn man Monate lang im Haus verweilte.
Beim Abschiede erscheinen dann Waiter und Hostler und Boots, ganz zuletzt noch bittet die Chambermaid mit einem artigen Knicks, ihrer nicht zu vergessen, don't forget the Chambermaid. Man gibt diesen Leuten nicht viel, wenn man die Teuerung des Landes bedenkt, und man gibt gern, denn man wurde gut bedient. Nach dieser Digression kehren wir zurück nach Catterick Bridge.
Krankheitshalber mußten wir einige Tage dort verweilen und wurden gewartet und gepflegt, als wären wir unter Bekannten und Freunden. Die Wirtin, Mistreß Ferguson, wich nur aus dem Krankenzimmer, wenn ihre Geschäfte es notwendig machten; ihr Mann ritt selbst nach dem vier Meilen entlegenen Städtchen Richmond, um den Apotheker des Orts zu holen, und der Sohn des Hauses, ein Landgeistlicher aus der Nachbarschaft, schleppte seine halbe Bibliothek herbei, um Kranken und Gesunden Unterhaltung zu verschaffen. Der Apotheker war ein vernünftiger, guter Arzt, und das Übel wich seinen Heilmitteln bald.
In ganz England sind die Apotheker die am meisten gesuchten Ärzte; man nennt sie auch Doktor. Besuche der eigentlichen Ärzte werden, außer bei reichen vornehmen Kranken, nur bei sehr großer Gefahr gefordert. Sie sind zu kostbar: weniger als eine Guinee dar man keinem für jede einzelne Visite bieten. Diese wird ihnen gewöhnlich jedes Mal beim Abschiednehmen in die Hand gedrückt. Eine Konsultation des Arztes in seinem eigenen Hause kostet die Hälfte. Die Apotheker werden ungefähr wie die Ärzte in großen deutschen Städten bezahlt. Übrigens wimmelt's nirgends so von Quacksalber wie in England; dies bezeugen die öffentlichen Blätter, deren größte Hälfte aus Ankündigungen von Arkanen besteht.