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Stowe's Garden

Landsitz des Marquis von Buckingham

Diese Gärten werden mit Recht für die schönsten und prächtigsten in England gehalten und liegen in nicht gar großer Entfernung von Woburn. Wir erreichten sie noch denselben Abend, nachdem wir nachmittags Woburn verlassen hatten, und fanden in dem dicht daneben liegenden Gasthofe sehr gute Bedienung.

Stowe's Garden enthält einen Reichtum von Tempeln, Obelisken, Säulen, Pavillons aller Art. In jedem beschränkteren Platze ist freilich weise Sparsamkeit mit solchen Verzierungen nicht genug zu empfehlen; aber hier in diesem großen Raume fällt die Anzahl der Gebäude nur auf, weil man jedesmal die glückliche Wahl bewundern muß, mit der sie angebracht sind, und zugleich den Reichtum, der die Mittel darbot, auf eine so kostbare Weise eines der natürlich schönsten Plätzchen der Erde noch zu verschönern. Unmöglich ist's, diese Gärten durch bloße Worte darzustellen, man muß sie gesehen haben, um sie sich denken zu können. Sie bilden die schönste, lieblichste Landschaft, die nur eine Dichter-Phantasie erfinden konnte. Auch wandelt man hier auf klassischem Boden. Lord Cobham, dem sie hauptsächlich ihre Verschönerung verdanken, lebte hier in der glänzendsten Zeit der englischen Literatur. Die besten Köpfe Britanniens waren seine Freunde und teilten in diesem reizenden Aufenthalte frohe Tage mit ihm.

Auch ist alles getan worden, um hier das Andenken jenes seltenen Vereins zu erhalten. In einem der Freundschaft gewidmeten Tempel stehen Cobhams und seiner Freunde Büsten in Marmor, eine Art halboffener Rotunde enthält die Büsten merkwürdiger Menschen, die zu verschiedenen Zeiten sich um das Vaterland verdient gemacht haben. König Alfred, Königin Elisabeth, Pope, Newton, Franz Drake und mehrere andere, durch Jahrhunderte voneinander getrennt, sieht man hier, wo nur das allen gemeinsame Streben gilt, in geschwisterlichem Vereine.

Eine hohe Säule, welche Lord Cobham zu erbauen anfing, ist von seinem Nachfolger Lord Temple vollendet und seinem Andenken gewidmet. Sie ist inwendig hohl und enthält eine hundertsiebzig Stufen hohe Wendeltreppe. Man genießt oben einer vortrefflichen Aussicht nach Oxford zu. Eine andere Säule steht hier zum Andenken des General Wolf; eine kleinere, mit einem Globus verziert, zu Ehren des Weltumseglers Kapitän Cook.

Noch müssen wir eines gotischen Tempels gedenken, mit Fenstern von gefärbtem Glase, durch welche die Gegend umher sich wunderbar ausnimmt. Diese Anlagen sind reich an schönen alten Bäumen, besonders Eichen und Zypressen; ein ungeheuer großer Taxusbaum zeichnet sich besonders aus. Schattige Gänge ziehen sich um einen kleinen See. Einige natürliche Wasserfälle, schöne malerische Brücken, alles ist hier vereint, was einen solchen Platz nur zu verschönern vermag.

Das Haus besteht aus einem zwei Stock hohen Hauptgebäude und zwei Flügeln von einem Stock. Unter einer von Marmorsäulen getragenen, weit vorspringenden Attika blühen die seltensten Pflanzen in Blumentöpfen. Von hier tritt man in die prächtige, durch eine Kuppel von oben erleuchtete Halle. Am Friese ist ein römischer Triumphzug in Marmor abgebildet. Marmorsäulen zieren ringsumher diese Halle; zwischen ihnen stehen marmorne Statuen.

Aus der Halle tritt man in einen kleineren, mit antiken Büsten verzierten Saal, in dessen Mitte ein schöner Apoll aufgestellt ist. Diese Statue sowohl als der größte Teil der in der Halle befindlichen, sind Antiken.

Die nicht ganz modern dekorierten Zimmer enthalten einen Reichtum an Gemälden, meist Niederländern, namentlich Rembrandts, unter anderem das eigene Porträt dieses Meisters, dessen Arbeiten in England besonders hochgeschätzt werden. Ein Kabinett voller Porträts, größtenteils aus dem merkwürdigen Kreise, den Lord Cobham hier um sich versammelte, ist sehr sehenswert. Hier findet man Pope, Swift, Steele, Addison, der ein höchst gutmütiges Gesicht hat, und viele andere; auch ein Originalporträt der unglücklichen Maria Stuart. Sie ist in wunderlicher Kleidung mit einem sehr hohen Halskragen dargestellt und erscheint weit weniger schön, als man sie sich zu denken gewohnt ist; doch mag auch wohl die nicht außerordentliche Kunst des Malers daran schuld sein.

Lady Buckingham und ihre Tochter beschäftigen sich auch mit der Malerei. Die Mutter malt in Öl, die Tochter Pastell; sie haben ein ganzes Zimmer mit ihren Arbeiten dekoriert, von denen sich übrigens nichts weiter sagen läßt, als daß es von solchen Damen doch lobenswert ist, wenn sie ihre Zeit auf diese Weise hinzubringen suchen.

Wir fuhren denselben Abend, an welchem wir uns in Stowe umgesehen hatten, nach Woodstock, einem Städtchen, das auf vielfache Weise bekannt ist. Das prächtige Schloß Blenheim, welches die Königin Anna ihrem Lieblinge, dem Herzog von Marlborough [Fußnote: John Churchill (1650-1722), Staatsmann und Feldherr, gewann vor allem durch den Einfluß seiner Frau Sarah auf die Königin Anna, die letzte Herrscherin aus dem Hause Stuart (1702-14), höchste politische Macht.], zum Dank für seine erfochtenen Siege schenkte und nach einem der glänzendsten benannte, liegt ganz nahe daran. Auch werden hier die vorzüglichsten, in ganz England beliebten Stahlarbeiten nicht fabrikmäßig, sondern von einzelnen Arbeitern in ihren Häusern verfertigt. Wir besuchten einen der geschicktesten, um einiges von ihm zu kaufen. Wie ein Maler, der sein Lieblingsbild mit Gold weggeben muß, so betrachtete der gute Alte seine besten Scheren und Messer mit wahrem Künstlerschmerz, ehe er sie uns übergab und ermahnte uns noch beim Schneiden, sie ja gut zu bewahren und zweimal des Tages mit Wolle abzureiben: denn ihm schienen sie das Wichtigste, was uns beschäftigen könnte.

In historischer Hinsicht ist Woodstock besonders merkwürdig. Auf einer Wiese, die jetzt zum Park von Blenheim gezogen ist, stand einst ein Landhaus, in welchem die Königin Elisabeth in ihrer Jugend erzogen, ja gleichsam gefangen gehalten ward. Sie konnte damals nicht hoffen, daß ihre Ansprüche an die Krone von England einst geltend werden würden; und eben diese Ansprüche, die sie gewiß oft in jenen Zeiten bitter beweinte, waren es, die ihr Freiheit, Umgang mit Menschen und jede Jugendfreude raubten. Hier erwarb sie sich alle die Kenntnisse, die Festigkeit, Klugheit, welche sie späterhin zur weisen, glücklichen Regentin machten. Wie war es aber möglich, daß diese frühere Erfahrung des Unglücks, diese Einsamkeit, diese Bekanntschaft mit allen Guten und Großen, was weise Männer vor ihrer Zeit dachten und schrieben, sie nur klug, nicht auch gut machten? Sie, die einst auch gefangen war, wie konnte sie ihre unglückliche Schwester Leiden fühlen lassen, welche sie selbst nur zu gut aus Erfahrung kannte und sie zuletzt dem fürchterlichen Tode auf dem Blutgerüst weihen! Die Nachwelt ist gerecht. Jeder Engländer spricht noch jetzt von Elisabeth, dem Weibe, und der Name der unglücklichen Maria wird noch überall mit Liebe und Mitleid genannt. Die Fehler der Stuart sind vergessen, aber ihr Unglück und ihre Liebenswürdigkeit lebt noch in allen Herzen.

 

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