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Von Guajan nach Manila


Aufenthalt daselbst

Am 29. November 1817 aus dem Hafen von Guajan ausgefahren, richteten wir unsern Kurs nach dem Norden von Luzon, um zwischen den dort liegenden vulkanischen Inseln und Felsen in das Chinesische Meer einzudringen.

Am 1. Dezember (16°31' nördlicher Breite, 219°6' westlicher Länge) gaben uns Seevögel Kunde von Klippen, die nach Arrowsmiths Karte westlich unter dem Winde von uns sich befinden mußten. Am 6. ward ein Raubvogel auf dem »Rurik« gefangen.

»Schon vor einigen Tagen«, sagt Herr von Kotzebue, »ist ein ansehnlicher Leck im Schiffe entdeckt; wahrscheinlich hat sich eine Kupferplatte abgelöst, und die Würmer, welche zwischen den Korallenriffen so häufig sind, haben das Holz durchbohrt.« Er sagt ferner unter dem 12. Dezember: »Das Wasser im Schiffe nahm stark zu.« Ich entlehne seiner Reisebeschreibung, II, Seite 136, diesen Umstand, den ich damals entweder nicht erfahren oder aufzuzeichnen vernachlässiget habe.

Wir umsegelten am 10. die Nordspitze von Luzon zwischen den Bashees-Inseln im Norden und den Richmond-Felsen und Babuyanes-Inseln im Süden. Wir hatten am 11. Ansicht des Hauptlandes, längs dessen Westküste wir südwärts segelten. Der Strom war stark und gegen uns, aber der Wind war mächtig, und wir eilten dem Ziele zu. An diesem Tage wurde eine Bonite gefangen. Fliegende Fische waren häufig.

Der Wind legte sich. Wir erreichten erst am 15. mittags den Eingang der Bai von Manila. Der Telegraph von der Insel Corregidor setzte sich in Tätigkeit, unsere Ankunft zu melden. Diese Insel, die das Tor des schönen Wasserbeckens verteidigt, schien mir von dem Rande eines zum Teil überflossenen Kraters gebildet zu werden. Wir hatten bereits längs der Küste von Luzon ein paar Boote unter Segel gesehen; hier zeigten sich ihrer mehrere.

Wir lavierten bei einbrechender Nacht gegen den Ostwind, um in die Bucht einzufahren, als ein Offizier von dem Wachtposten auf einem zwanzigruderigen Boote zu uns heranfuhr, um uns zu rekognoszieren. Er ließ uns einen Lotsen zurück, der uns nach Manila führen sollte.

Wir kamen sehr langsam vorwärts; die im Hintergrunde der Bucht belebte Schiffahrt verkündigte die Nähe einer bedeutenden Handelsstadt; der Wind gebrach uns; wir ließen am 17. mittags die Anker fallen. Zwei Offiziere kamen vom Generalgouverneur der Philippinen, Don Fernando Mariana de Fulgeras, den Kapitän zu bewillkommnen. Er benutzte die Gelegenheit, selber in ihrem Boote ans Land zu fahren, und nahm mich mit. Acht Kauffahrteischiffe, Amerikaner und Engländer, lagen auf der Reede. Der Gouverneur empfing uns auf das liebreichste und versprach, alle mögliche Hülfe uns angedeihen zu lassen. Dasselbe Boot brachte uns an das Schiff zurück. Wir hoben noch am selben Abend die Anker, um nach Cavite, dem Hafen und dem Arsenal von Manila, zu fahren, wohin uns die Befehle des Gouverneurs zuvorkommen sollten. Windstille hielt uns auf und zwang uns abermals, Anker fallen zu lassen; Fischerboote brachten uns ihren Fang zu Kauf; wir erreichten erst am 18. mittags Cavite. Der Kommandant des Arsenals, Don Tobias, erhielt erst am 19. die uns betreffenden Befehle; da wurde der »Rurik« sogleich in das Innere des Arsenals gebracht, eine leerstehende Galione erhielt die Bestimmung, Schiffsladung und Mannschaft aufzunehmen, und ein ansehnliches Haus ward dem Kapitän zu seiner Wohnung eingeräumt. Wir bezogen am 20. dieses Haus. Der Kapitän hätte gar gern eine Schildwacht vor seiner Türe gesehen, und da er selber keinen Ehrenposten begehren konnte, so begehrte er einen Sicherheitsposten. Wir waren nicht mehr in Chile, und hier wußte man, was in Europa Brauches ist und was nicht. Anstatt des ersehnten Schildergastes erschien eine Ordonnanz, die, zur Verfügung des russischen Kapitäns gestellt, sich bei ihm meldete. Herr von Kotzebue entließ den Mann mit kaum unterdrücktem Unwillen.

Indes besichtigte Don Tobias mit einem Schiffsbaumeister den »Rurik« und setzte alsbald hundert Arbeiter an das Werk, welches, kräftigst angefaßt und emsig betrieben, vor Ablauf der zweimonatlichen Frist vollendet ward, welche die Dauer des Nordostmonsun uns im hiesigen Hafen gestattete. An allem Schadhaften repariert und erneut, neu betakelt, mit neuem Kupferbeschlag versehen, mit welchem, da er ursprünglich nicht vorzüglich gewesen, wir nie in Ordnung gekommen waren, mit verbessertem Steuerruder, das die Schnelligkeit seines Laufes merklich vermehrte, ging der »Rurik« verjüngt aus dem Arsenal von Cavite hervor. So hätte er eine Reise um die Welt unternehmen, so den Stürmen des Nordens Trotz bieten können. Wir hatten aber nur noch die Heimfahrt vor uns.

Nach der Reparatur des Schiffes war die nächste Sorge, unsern Aleuten die Schutzblattern impfen zu lassen, was der Doktor Eschscholtz ungesäumt bewerkstelligte.

Wir hatten auf der Reede von Cavite die »Eglantine« aus Bordeaux, Kapitän Guerin, Superkargo Du Sumier, angetroffen, und Herr Guerin, Offizier der königlichen Marine, hatte uns an unserm Bord besucht, noch bevor wir in das Arsenal aufgenommen worden. Wir haben mit diesen Herren wie mit den spanischen Autoritäten auf das freundschaftlichste verkehrt und nur mit Bedauern auch hier die Bemerkung erneuen müssen, daß zwei Autoritäten auf einem Schiffe nicht statthaft sind.

Ich galt in allen Landen für einen Russen: die Flagge deckt die Ware. Außerdem aber erkannten mich Deutsche und Franzosen für ihren Landsmann. So traf ich hier außer den Herren von der »Eglantine« einen liebenswerten Landsmann, dessen ich mit herzlicher Dankbarkeit erwähnen muß. Don San Jago de Echaparre war bei der französischen Auswanderung nach Spanien verschlagen worden, wo er im Seedienst seine in der Heimat begonnene Karriere fortgesetzt hatte. Er war seit vielen Jahren auf Luzon und jetzt ein bejahrter Mann; aber er war noch ganz Gentilhomme français und war hier nicht unter dem Volke, nicht in den Verhältnissen seiner Wahl. Sein Herz war noch im alten Vaterlande. Don San Jago besaß und bewohnte ein Landhaus zu Tierra alta. Cavite, auf der äußersten Spitze einer drei Meilen langen, sandigen Landzunge gelegen, ist durchaus kein passender Aufenthalt für einen reisenden Naturforscher. Ich zog nach Tierra alta, einem Dorfe, das auf dem Hochufer der Bai von Manila liegt, da, wo die Landzunge von Cavite sich demselben anschließt, und verbrachte dort fast die ganze Zeit, die der »Rurik« im Hafen blieb. Ich war der Gast meines Landsmanns, ob ich gleich nicht in seinem Hause wohnte, und verbrachte mit dem liebenswürdigen, gutmütigen Polterer die Stunden, wo ich nicht in der Umgegend die Schluchten und das Feld durchschweifte. Es waren, wie in unsern Häusern, täglich dieselben Gelegenheiten, die ihm bereitet wurden, sich zu ereifern. Sein Diener Pepe hatte vergessen, Rettiche, die er gern aß, vom Markte mitzubringen; darüber lärmte er dann eine Zeit, setzte aber bald begütigend hinzu, er wolle sich um einen Rettich nicht erzürnen. Dann setzten wir uns zu Tisch – da fand es sich, daß Pepe ihm wiederum den zerbrochenen Stuhl hingestellt hatte, auf dem er nicht sitzen mochte; er sprang auf und schleuderte jähzornig den Stuhl von sich, nahm, schon wieder lächelnd, einen andern; dann speisten wir selbander und sprachen von den Philippinen-Inseln und von Frankreich.

Eine große Schildkröte erging sich auf dem Hofe und in dem Garten von Don San Jago de Echaparre; Honigsauger (Nectarinia) nisteten in einem Baumzweig, welcher fast in das Fenster seines Zimmers hineinreichte; und ein kleiner Gecko (eine Hauslacerte) kam jedesmal, daß wir Kaffee tranken, auf den Tisch, den Zucker zu belecken. Er bot mir diese verschiedenen Tiere an. Wie hätte ich an diese Hausgenossen und Gastfreunde des schon so verwaisten Mannes Hand anlegen können? Dazu hätte ich ein anderer sein müssen, als ich bin.

Die Gehege, worin die Häuser stehen, werden allgemein durch Hunde bewacht, die nicht an der Kette liegen und ihrem Geschäfte wohl gewachsen sind. Ich erfuhr es, als ich am ersten Abend ungewarnt nach Hause kam. Es bellten Hunde umher, an die ich mich wenig kehrte; aber ein übermächtiger Packan trat mir, ohne zu bellen, kampffertig in den Weg; wir standen voreinander und maßen uns mit den Augen. Ich begriff sehr wohl, daß an keinen Rückzug zu denken war, und hielt es für das klügste, mutig auf das Tier zuzuschreiten, das sich vielleicht fürchten und zurückgehen würde. Ich tat also; aber das Tier ging nicht zurück, und nun waren wir aneinander. – Sehr beizeiten ließen sich Stimmen im Hause vernehmen, wo ich alles im Schlaf glaubte, und der Hund ward abgerufen, bevor es zu einem Kampfe kam, wobei ich gewiß den kürzeren gezogen hätte.

Dieser Hund erinnert mich an einen andern, mit dem ich einmal in der Heimat zusammenkam. Es war ein Kettenhund, der, als ich an ihm vorüberging, so ausnehmend wütend sich gebärdete, daß ich denken mußte: Wie würde das werden, wenn die Kette risse? Und siehe da! die Kette riß; der Erfolg war aber der: Der Hund rollte zu meinen Füßen, stand wieder auf, sah mich an, wedelte mit dem Schwanze und ging sanft wie ein Lamm nach seinem Häuschen. Ich habe gar oft beim Lesen der Zeitungen an diesen Hund gedacht. Zum Beispiel als bei Gelegenheit der Reformbill die Tories das Ministerium Grey stürzten und dann sanftmütig baten, die zerbrochene Kette doch wiederherstellen zu wollen.

Ich habe zu Tierra alta die einzige Unpäßlichkeit überstanden, die mich auf der ganzen Reise betroffen. Ich war ausnehmend erhitzt und fürchtete eine Entzündung der Eingeweide. Mein Lager, welches nach Landessitte aus einer hölzernen Bank und einer feinen Strohmatte bestand, dünkte mich in meiner Unruhe fast hart; Don San Jago sorgte für »ein gutes weiches Lager« und schickte mir eine von Rohr geflochtene Bank. Eschscholtz besuchte mich; das Übel legte sich, ohne ganz gehoben zu werden; und unter solchen Umständen mußte ich, nicht ganz frei von Besorgnis, die Reise nach dem Innern der Insel und dem Vulkan de Taal antreten, zu welcher ich die Anstalten getroffen hatte, weil die Tage unseres Aufenthalts auf Luzon bereits zu Ende gingen.

Ich hatte die Ausfertigung der mir angebotenen, aber notwendigen Pässe erwirken müssen und war eigentlich in dieser Hinsicht noch nicht vorschriftmäßig ausgerüstet, da ich eine Mark berühren sollte, auf der ich anderer Papiere und Unterschriften bedurft hätte, die ohne neuen Zeitverlust nicht zu erhalten waren. Ich hatte mit der spanischen Prunksucht unterhandeln müssen, die, wo ich nur eines Führers bedurfte, mir eine militärische Bedeckung von dreißig Pferden aufbürden wollte. – Ich trug allein die Kosten aller meiner wissenschaftlichen Ausflüge und Unternehmungen und wollte Dienste, die ich angenommen, nicht unbelohnt lassen. Am 12. Januar 1818 brach ich von Tierra alta auf, mit einer Leibwache von sechs Tagalen der reitenden Miliz, deren Kommandant, der Sergeant Don Pepe, zugleich mein Führer und mein Dolmetscher war.

Don San Jago de Echaparre hatte ein Kind von Don Pepe aus der Taufe gehoben. Das geistige Band der Gevatterschaft, welches im protestantischen Deutschland alle Bedeutung und Kraft verloren hat, wird in katholischen Landen überhaupt und hier ganz besonders in hohem Grade geehrt. Don San Jago, der seinen Gevatter zu meinem Geleitsmann ausersehen, ließ ihn den Abend vorher kommen und erteilte ihm seine Verhaltungsbefehle ungefähr mit folgenden Worten: »Eure Gnaden werden diesem Edelmann auf einer Reise nach Taal zur Leibwache und zum Führer dienen. Ich werde mit Euren Gnaden verabreden, in welchen Ortschaften Sie anhalten und bei welchen unserer Gevattern Sie einkehren müssen. Vor allem aber werden Eure Gnaden darauf bedacht sein, nur bei Tage zu reiten, weil dieser Edelmann alles sehen will. Eure Gnaden werden oft im Schritte reiten und oft halten lassen müssen nach dem Begehren dieses Edelmannes, der jedes Kraut betrachten wird und jeden Stein am Wege und jedes Würmchen, kurz jede Schweinerei, von der ich nichts weiß und von der Eure Gnaden eben auch nichts zu wissen nötig haben« usw.

Don Pepe war ein brauchbarer, anstelliger, verständiger Mann, mit dessen Dienste ich allen Grund hatte zufrieden zu sein. Nur suchte er mich, für dessen Sicherheit er verantwortlich war, so wie man ein Kind führt, mit angedrohten Krokodilen und Schlangen auf dem geraden Pfade und unter seinen Augen zu erhalten; ich hatte ihn aber bald durchschaut. Ich habe nicht leicht in meinem Leben ein ängstlicheres Geschrei vernommen als dasjenige, womit er mir einst zurief, vor meine Füße zu sehen; über den Steg schlich eine kleine Schlange, die ich tötete und die, wie es sich erwies, ein ganz unschuldiges Tier war. Auf gleiche Weise warnte er mich einmal vor einem Baume, den ich mit erregter Neugierde sogleich untersuchte; es war eine Brennessel, die ich versuchte und nicht gefährlicher fand als unsere gewöhnliche.

In allen Ortschaften kamen, wie ich es schon gewohnt war, die Menschen zu dem russischen Doktor, ihm ihre Leiden zu klagen und Hülfe bei ihm nachzusuchen. Ich mußte den Unterschied zwischen Doctor naturalista und facultativo aufstellen, und sie mußten sich dabei beruhigen. Das lasse sich, wer Reiselust verspürt, gesagt sein: der Name und Ruf eines Arztes wird ihm, so weit die Erde bewohnt ist, der sicherste Paß und Geleitsbrief sein und wird ihm, sollte er dessen bedürfen, den zuverlässigsten und reichlichsten Erwerb sichern. Überall glaubt der gebrechliche Mensch, der sich selber hülflos fühlt, an fremde Hülfe und setzt seine Hoffnung in den, der ihm Hülfe verspricht. Am begierigsten langt der Hülfsbedürftige nach dem Fernsten, dem Unbekanntesten, und der Fremde erweckt in ihm das Vertrauen, welches er zu dem Nächsten verloren hat. In der Familie des gelehrten Arztes gilt mehr als seine Kunst der Rat, den die alte Waschfrau heimlich erteilt.

Es ist die Medizin für den, der ihrer bedarf, eine heimliche, fast zauberische Kunst. Auf dem Glauben beruht immer ein guter Teil ihrer Kraft. Zauberei und Magie, die tausendgestaltig, tausendnamig ausgebreitet und alt sind wie das Menschengeschlecht, waren die erste Hellkunst und werden wohl auch die letzte sein. Sie verjüngen sich unablässig unter neuen Namen und zeitgemäßen Formen – für uns unter wissenschaftlichen – und heißen: Mesmerianismus und... Ich will niemand beleidigen. Wer aber wird bestreiten, daß heutzutage noch in einer aufgeklärten Stadt wie Berlin mehr Krankheiten besprochen oder durch sympathetische und Wundermittel behandelt als der Sorge des wissenschaftlichen Arztes anvertraut werden?

Ich habe ja nur dem, der die Welt zu sehen begehrt, anraten wollen, sich mit dem Doktorhut als mit einer bequemen Reisemütze zu versehen, und jüngere Freunde haben bereits den Rat für einen guten erprobt. – Nächst dem Arzt würde der Porträtmaler zu einer Reise in fernen Landen gut ausgerüstet sein. – Jeder Mensch hat ein Gesicht, worauf er hält, und Mitmenschen, denen er ein Konterfei davon gönnen möchte. Die Kunst ist aber selten und noch an viele Enden der Welt nicht gedrungen.

Während ich andere, die meine Hülfe ansprachen, abwies, hatte ich genug mit meiner eigenen Gesundheit mich zu beschäftigen. Ich behandelte mich mit Kokosmilch und Apfelsinen, wovon ich mich ernährte, konnte aber nicht meinen Don Pepe entwöhnen, das Huhn, das gewöhnlich zu einer Suppe gekocht ward, mit Ingwer und starken Spezereien nach Landessitte zu überwürzen; darin schien seine Heilkunst zu bestehen, und er beharrte dabei aus guter Meinung. Ich fand nur im Bade Erleichterung.

Abends wurden die Pferde frei auf die Weide getrieben und morgens früh zur weitern Reise wieder eingefangen. Das ist Landesbrauch. Dabei ging aber nicht nur Zeit verloren, sondern auch noch ein Pferd, welches sich nicht wiederfand.

Bekanntlich ist in allen spanischen Kolonien das Monopol des Tabaks die Haupteinnahme der Krone, welche auf diese Weise eine Kopfsteuer anstatt einer Grund- oder Vermögenssteuer erhebt; denn der Tabak ist dem Armen und dem Reichen ein gleiches Bedürfnis. Auf Guajan drückt noch diese verhaßte Steuer nicht die Bevölkerung. Aber hier kann der arme Tagal dem Könige nicht bezahlen, was ihm die Erde umsonst zu geben begehrt. – Gewöhnlich bittet er, wo man ihm auf Straßen und Wegen begegnet, um das Endchen Zigarre, das man im Munde hat und das man nicht so ganz aufzurauchen pflegt, wie die Not es ihn zu tun gelehrt hat. – Don Pepe ließ sich meine Zigarrenenden geben und verteilte sie mit großer Gerechtigkeit unter sein Kommando.

Wir erreichten am dritten Tage den Bergkamm, den Rand des Erhebungskraters, von wo der Blick in die Laguna de Bongbong und auf den Vulkan de Taal, der in ihrer Mitte einen traurigen, nackten Circus bildet, hinabtaucht. Von da kamen wir abwärts durch den Wald nach Westen zu dem jetzigen Burgflecken Taal am Chinesischen Meere. Hier war es, wo sich ein Pferd verlor. Ich brachte einen Teil des Morgens des 15. im Bade zu und fuhr am Nachmittag in einem leichten Kahne mit Don Pepe und einem meiner Tagalen den Abfluß der Laguna bis zu derselben hinauf. Wir rasteten in einer ärmlichen Fischerhütte und schifften uns bei Nacht zur Überfahrt nach dem Vulkan wieder ein. Hier war es, wo Don Pepe mich beschwor, ja auf meiner Hut zu sein, wohl mich umzuschauen, aber zu schweigen. Der Vulkan, welcher den Indianern nicht feind sei, werde von jedem ihn besuchenden Spanier zu neuen Ausbrüchen gereizt. Ich entgegnete dem guten Tagalen, ich sei kein Spanier, sondern ein Indianer aus fremdem Lande, ein Russe – eine Spitzfindigkeit, die seine Besorgnis nicht zu beschwichtigen schien. Ich nahm mir vor, seiner Meinung nicht zu trotzen, sondern mich ganz nach seiner Vorschrift zu richten. Er hatte sie aber selber früher vergessen als ich.


Der Taal-Vulkan auf der Insel Luzon

Wir landeten über dem Winde der Insel. Die ersten Strahlen der Sonne trafen uns auf dem Rande des höllischen Kessels. Wie ich diesen Rand verfolgte, um einen Punkt des Umkreises zu erreichen, auf welchem in das Innere hinabzusteigen möglich schien, hatte Don Pepe alle Vorsicht vergessen. Er war entzückt, ein Wagestück zu vollbringen, das, meinte er, kein Mensch vor uns unternommen, kein Mensch nach uns unternehmen werde. – Diesen Pfad würden wir wohl allein unter den Menschen betreten haben. – Ich zeigte ihm bescheiden, daß Rinder ihn vor uns betreten hatten. – An den Ufern der Insel wächst stellenweise einiges Gras, welches abzuweiden einige Rinder auf dieselbe überbracht worden sind. Ich begreife nicht, was diese Tiere antreiben kann, den steilen, nackten Aschenkegel zu ersteigen und sich einen Pfad um den scharfen Rand des Abgrundes zu bahnen.

Ich habe den Vulkan de Taal in meinen »Bemerkungen« beschrieben und wiederholt in dem »Voyage pittoresque« von Choris, welcher ihn nach einer Skizze von mir abgebildet hat. Wir kehrten am Abende nach Taal zurück und trafen am 19. Januar 1818 in Tierra alta wieder ein.

Noch habe ich von Manila selbst nicht gesprochen, wohin ich doch zu Wasser und zu Lande längs des wohlbebauten Ufers der Bucht mehrere kleine Reisen gemacht und wo ich stets die zuvorkommendste, freundlichste Aufnahme gefunden habe. In Manila, wo es keine Gasthäuser gibt, war der Doktor Don José Amador, an den wir von dem Gouverneur der Marianen-Inseln empfohlen waren, unser Gastfreund. Seine liebenswürdige Frau war eine Mündel von Don San Jago de Echaparre, der an ihrem hier verstorbenen Vater einen Freund, Landsmann, Dienst- und Schicksalsgefährten verloren hatte. Die reizende Señora sprach nur die spanische Sprache. – In der Abwesenheit von Don José Amador empfing uns bei unserer ersten Reise nach Manila der Adjutant des Gouverneurs, Don Juan de la Cuesta. Der Gouverneur selbst war für den Kapitän und für uns alle von der zuvorkommendsten Artigkeit. Eine ungezwungene, anmutige Geselligkeit herrschte in seinem Hause. Man legte bei ihm das Kleid ab, worin man sich dem Generalgouverneur der Philippinen vorgestellt hatte, und erhielt vom Wirte eine leichte Jacke, wie sie dem Klima angemessen war. Er schickte mir, als wir die Anker lichteten, die letzterhaltenen französischen und englischen Zeitungen von mehreren Monaten. Das war im Chinesischen Meere eine gar reizende Beschäftigung für mich. Da erhielt ich von meinen Angehörigen die erste Kunde, die seit unserer Abfahrt aus Plymouth zu mir erklungen war, und verdankte sie Don Antonio Mariana de Fulgeras. Präfekt des Departements des Lot war ein Bruder von mir usw. Man kann nur im Chinesischen Meere oder unter ähnlichen Umständen sich einen Begriff machen von der Menge der Dinge, die aus so einem europäischen Zeitungsblatte herausgelesen werden können.

Mein Hauptgeschäft in Manila war, Bibliotheken und Klöster nach Büchern und Menschen durchzusuchen, von denen ich über die Völker und Sprachen der Philippinen und Marianen Aufklärung erhalten könnte. Ich habe seines Ortes Rechenschaft abgelegt über das, was in dieser Hinsicht mir geglückt und nicht geglückt ist. Ich brachte in sehr kurzer Zeit eine schöne Bibliothek von Tagalisten und Geschichtschreibern von Manila zusammen. Weniges war käuflich zu bekommen, mehreres wurde mir geschenkt, wogegen ich manchmal andere Bücher schenken konnte. Ich fand überall die humanste Gesinnung, die größte Bereitwilligkeit, mir förderlich zu sein, und die höflichste Sitte. Nur in dem Kloster, wo das »Vocabulario de la lengua tagala« zu haben war, machte der Bruder, der mir mein bezahltes Exemplar reichte, eine Ausnahme von der Regel, indem er mich gehen hieß und die Tür hinter mir abschloß. Sein Benehmen ärgerte mehr die Spanier, die es erfuhren, als es mich selber geärgert hatte, der ich wußte, daß ein Mönch und ein Weib no hacen agravio, keine die Ehre kränkende Beleidigung zufügen können.

Als in der Nacht vom 3. zum 4. Juli 1822 das Haus, das ich in Neuschöneberg bei Berlin bewohnte, in Asche gelegt ward, war nach dem Leben der Meinigen diese tagalische Bibliothek das erste, was ich zu retten bemüht war, und ich sorgte sogleich, sie mit der Königlichen Berliner Bibliothek zu vereinigen, wo der gelehrte Forscher der Sprachen malaiischen Stammes manches finden wird, das nicht so leicht eine andere Bibliothek besitzt.

Wir waren auf Luzon nicht in der Jahreszeit der Manga, einer Frucht, die hoch gerühmt wird und, in dem größten Überflusse vorhanden, einen Teil der Volksnahrung auszumachen scheint. Eine einzige, zur Unzeit reif gewordene Manga ward beschafft und bei einer Mahlzeit unter die Schiffsgesellschaft des »Ruriks« verteilt. Ich kann nach der unzureichenden Probe nichts darüber sagen. Wir haben überhaupt von den Früchten der heißen Zone nur solche genossen, die zu allen Zeiten zu haben sind und denen zu entgehen nicht möglich war. – Keine Manga! Keine Ananas! Keine Eugenia! usw.

Die chinesische Vorstadt ist für den anziehend, der das Reich der Mitte nicht betreten hat. »Non cuivis homini contigit adire Corinthum [Fußnote].« Es ist doch, und mögen wir uns noch so sehr über die Chinesen erheben, das Normalreich der konservativen Politik, und wer von den Unseren dieser Fahne folgt, hätte gewiß an jenem Muster vieles zu lernen. Ich meine nicht eben, um Rückschraubungsversuche, die immer mißlich sind, in Dingen vorzunehmen, wo wir einmal tatsächlich weiter vorgeschritten sind als die Chinesen; aber doch um zu ermessen, was zu konservieren frommt und wie man überhaupt konserviert. Ich bin aber hier außer meinem Fache. Man suche Belehrung in den »Mémoires pour servir à l'histoire de la Chine«. Ich habe mich nur als Dilettant an den chinesischen Gesichtern ergötzt.

Ich war am 19. Januar 1818 in Tierra alta wieder eingetroffen. Eschscholtz besuchte mich am 21. Am selben Tage kam auch der Kapitän, der weiter nach Manila fuhr. Ich kehrte am 22. nach Cavite zurück. Der Kapitän traf am 25. aus Manila ein. Der »Rurik« war segelfertig, die Chronometer wurden eingeschifft. Ich fuhr am 26. frühmorgens in einem leichten Boote nach Manila, frühstückte auf der »Eglantine«, die vor der Barre unser wartete, hielt einen letzten Umzug nach tagalischen Büchern und vertraute nicht vergeblich auf die Gastfreundschaft von Don José Amador. Der »Rurik« langte am 27. vor der Barre an. Ich schiffte mich am 28. ein, und dieser Tag war der letzte, den wir bei Manila zubrachten. Der Gouverneur kam an unsern Bord und ward mit fünfzehn Kanonenschüssen geehrt. Die Freunde fanden sich ein, und die letzten Stunden, verschönt durch die reizende Gegenwart der Señora Amador, wurden zu einem fröhlichen und herzlichen Abschiedsfest.

Ich habe einen unserer Freunde nicht genannt, der auf eine Weise, die mir aufgefallen war, oft im Gespräche mit mir der Freimaurerei erwähnt und dennoch die Zeichen einer Weihe nicht erwidert hatte, die aus dem Schatze halbvergessener Jugenderinnerungen wieder hervorzusuchen sein Benehmen mich veranlaßte. An diesem Abend suchte er mich auf und drückte mir die Hand. – Ich erstaunte. »Wie haben Sie doch verleugnet...?« – »Sie reisen ab, aber ich bleibe.« Das war seine Antwort, die ich nicht vergessen habe.

Das Sängerchor unserer Matrosen sang zur Janitscharenmusik russische Nationallieder, und die Señora Amador, die in der fröhlichsten Stimmung sich wie eine anmutige Fee unter uns bewegte, warf ihnen nach spanischer Sitte eine Handvoll Piaster zu. – Der Herr von Kotzebue fand darin eine Beleidigung. Er ließ, nachdem unsere Gäste sich entfernt, dieses Geld aufsuchen und sandte es der wohlmeinenden Geberin mit einem Billett zurück, welches, an eine schöne Frau gerichtet, von der Zartheit russischer Sitte keinen günstigeren Begriff gegeben haben kann, als ihm die Freigebigkeit, die er zurückwies, von der spanischen Weise gegeben hatte.

Am 29. Januar 1818 gingen wir mit der »Eglantine« zugleich unter Segel und verließen die Bucht von Manila.

 

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