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Abfahrt von Hana-ruru. Radack


Am 14. Dezember 1816 aus dem Hafen von Hana-ruru ausgesegelt, hatten wir drei Tage lang schwache, spielende Winde und Windstille. Walfische (Physeter) wurden in der Ferne gesehen; am 16. ward eine Seeschwalbe (Sterna stolida) auf dem Schiffe gefangen.

Der Wind stellte sich am 17. ein und brachte uns schnell vorwärts. Am 19. hatten wir Regen. Am 21. und 22. suchten wir vergeblich unter dem siebzehnten Grad nördlicher Breite Inseln, die vom Kapitän Johnston im Jahre 1807 gesehen worden; Pelikane und Fregatten umschwärmten uns in großer Menge. Wir setzten unsern Kurs nach Südwesten fort. Wir fuhren vor dem Winde bei sehr lästigem Schwanken des Schiffes und schnellem Lauf. Die Seevögel begleiteten uns. Der Horizont hatte nicht seine gewöhnliche Klarheit. Wir suchten vom 26. bis zum 28. unter dem elften Grad nördlicher Breite die Insel San Pedro, ohne dieselbe zu entdecken. Zeichen von Land vermochten uns, die Nacht zu lavieren. Am 29. sahen wir Delphine, Fliegende Fische, Treibholz. Die Zahl der Vögel verringerte sich. Vom 28. an steuerten wir westwärts zwischen neun Grad und zehn Grad nördlicher Breite, um die Mulgraves-Inseln aufzusuchen; wir lavierten meist während der Nacht. In der Nacht vom 30. zum 31. stellte sich ein Landregen ein, welcher den ganzen Tag anhielt. Ein Stück Holz, worauf sich eine Schnepfe niedergesetzt, trieb am Morgen am Schiffe vorbei. Man hatte schon zu Nacht Schnepfen gehört. Der Wind war viel gemäßigter geworden. Am 1. Januar 1817 hatten wir bereits einen nördlicheren Kurs genommen, um die im vorigen Jahre gesehenen Inselgruppen aufzusuchen, als in den Nachmittagsstunden Land gesehen ward.

In dieser Zeit der Reise hatten sich die Lichtschaben (Blatta germanica) auf eine furchtbare Weise auf dem »Rurik« vermehrt und vergegenwärtigten uns eine der ägyptischen Plagen. Es hat etwas Unheimliches, etwas Wundergleiches, wenn die Natur einer solchen untergeordneten Art, deren Individuum als ein unmächtiges Nichts erscheint, durch die überwuchernde Anzahl derselben, durch das Gedeihen aller Keime und durch die Verwandlung alles organischen Stoffes in sie zu einer unerwarteten Übermacht verhilft. Dem Menschen verborgen, entziehen sich seiner Einwirkung die Umstände, welche die Vermehrung und Abnahme jener Geschlechter bedingen; sie erscheinen und verschwinden. Dem Spiele der Natur sieht er unmächtig staunend zu. Als wir im Spätjahr 1817 zum andernmal von Unalaschka südwärts steuerten, hatte sich die Blatta fast gänzlich verloren, und sie nahm nie wieder überhand.

Eine andere Ungemächlichkeit des Seelebens, die wir seit Kalifornien kennengelernt, war der Gestank des faulenden Kielwassers. Auf Schiffen, die, wie der »Rurik«, kein Wasser einlassen und auf welchen die Pumpen müßig sind, leidet man mehr davon als auf solchen, wo das Eindringen und Herauspumpen des Wassers kein Stocken und Faulen desselben zuläßt. Wir mußten selber Wasser eingießen, um das stockende herauszubekommen.

Ich habe bis jetzt noch einer wohltätigen Erquickung nicht gedacht, deren wir in der heißen Zone genossen. Ich meine das Sturzbad, das Übergießen mit Seewasser, womit wir uns abends am Vorderteile des Schiffes erfrischten. Wir waren noch nicht müde und hatten noch Laune zu manchem Scherze. Einmal, während Login Andrewitsch badete, entwendete ihm Iwan Iwanowitsch sein Hemd und machte ihn glauben, der Wind habe es in die See geweht.

Login Andrewitsch schlief noch zu Nacht auf dem Verdeck, nachdem ich und der Doktor auf diesen Genuß verzichten zu müssen geglaubt. Er schob seine Matratze durch das Fenster auf das Verdeck und stieg dann selbst die Treppe hinauf, sich oben zu betten. Ich paßte einmal den Moment ab, wo er auf der Treppe war, zog schnell die Matratze in die Kajüte zurück und legte sie wieder an ihren Ort in seine Koje. Er suchte nun die Verschwundene allenthalben, nur nicht, wo sie war, haderte mit allen, die er auf dem Verdecke fand, und geriet in eine gar komische Verzweiflung.

Man verzeihe mir dieses lustige Zwischenspiel. Ich komme jetzt auf Radack und die Radacker.

Nach dem, was ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« gesagt, bleibt mir hier nur die Geschichte unserer Erscheinung zwischen jenen Riffen zu erzählen und zu berichten, wie wir Bekanntschaft mit einem Volke machten, welches ich unter allen Söhnen der Erde liebgewonnen habe. Die Schwäche der Radacker benahm uns das Mißtrauen gegen sie; ihre eigene Milde und Güte ließ sie Zutrauen zu den übermächtigen Fremden fassen; wir wurden Freunde rückhaltlos. Ich fand bei ihnen reine, unverderbte Sitten, Anmut, Zierlichkeit und die holde Blüte der Schamhaftigkeit. – An Kräftigkeit und männlichem Selbstvertrauen sind ihnen die O-Waihier weit überlegen. Mein Freund Kadu, der, fremd auf dieser Inselkette, sich uns anschloß, einer der schönsten Charaktere, den ich im Leben angetroffen habe, einer der Menschen, den ich am meisten geliebt, ward später mein Lehrer über Radack und die Karolinen-Inseln. In meinem Aufsatze »Über unsere Kenntnis der ersten Provinz des Großen Ozeans« habe ich seiner als einer wissenschaftlichen Auctorität zu erwähnen gehabt und habe dort aus den zerstreuten Zügen unsers Zusammenlebens sein Bild und seine Geschichte zusammengestellt. Habt Nachsicht, Freunde, wenn ich mich vielleicht manchmal wiederhole; hier spreche ich ja von meiner Liebe.

Die Inselkette Radack liegt zwischen 6° und 12°, die von uns gesehenen Gruppen zwischen 8° und 11°30' nördlicher Breite und 188° und 191° westlicher Länge. – Ich bemerke nur, daß ich von einer Klippe oder Untiefe Limmosalülü im Norden von Arno Nachricht gegeben habe, die auf der Karte des Herrn von Kotzebue fehlt, und verweise im übrigen, was das Geographische anbetrifft, auf die Herren von Kotzebue und von Krusenstern.

Ich lenke in die Tagesgeschichte wieder ein.

Am 1. Januar 1817 hatte sich das Wetter aufgeklärt und der Wind gelegt. Der noch hohe Wellengang bewies, daß kein Land über dem Wind des Schiffes lag. Boniten umschwärmten uns. Nachmittags ward Land entdeckt; es ward erst, als die Sonne unterging, vom Verdeck sichtbar. Eine kleine niedrige Insel: Mesid. Der klare Mondschein sicherte uns zu Nacht vor Gefahr. – Am Morgen des 2. näherten wir uns mit sehr schwachem Winde der Südseite der Insel. Sieben kleine Boote ohne Mast und Segelwerk, jedes mit fünf bis sechs Mann bemannt, ruderten an uns heran. Wir erkannten die Schiffsbauart und das Volk der im Mai des vorigen Jahres gesehenen Inselgruppen. Die reinlichen, zierlichen Menschen betrugen sich sittig; eingeladen, kamen sie zutraulich näher an das Schiff heran, auf dessen Verdeck sich jedoch keiner zu steigen vermaß. Wir eröffneten einen Tauschhandel, der ihrerseits mit großer Ehrlichkeit geführt ward. Wir gaben ihnen Eisen; sie hatten meist nur ihren Schmuck, ihre zierlichen Muschelkränze, uns anzubieten. Eine Landung zu versuchen, ließ der Kapitän die Jalik und die Baidare aussetzen. Der Leutnant Schischmarew kommandierte in der Jalik, ich folgte mit Eschscholtz und Choris in der Baidare; die Mannschaft war bewaffnet. Die das Schiff umringenden Boote folgten uns, als sie uns dem Lande zurudern sahen. Andere kamen von der Insel hinzu, in deren Nähe beiläufig achtzehn gleiche Fahrzeuge um uns einen Kreis zogen, und ich zählte deren noch sechs auf dem Strande. Eine Menge Menschen stand am Ufer, nur Männer; Weiber und Kinder zeigten sich nicht. Ich schätzte die Kopfzahl der von uns Gesehenen auf 100, der Leutnant Schischmarew aber auf das Doppelte; auf jeden Fall eine verhältnismäßig viel stärkere Bevölkerung als auf den übrigen von uns besuchten Gruppen derselben Inselkette. Bei unserer Minderzahl, welche die Insulaner zudringlicher machte, und bei der Übermacht unserer mörderischen Waffen mochte Gleb Simonowitsch das Land nicht betreten. Hatte doch schon einer unserer Leute auf einen Eingeborenen angelegt, der schwimmend ein Ruder unserer Baidare angefaßt hatte. Der Handel ward in der Nähe des Strandes fortgeführt. Die Menschen gaben für Eisen, was sie besaßen: Kokosnüsse, Pandanusfrüchte, Matten, zierliche Muschelkränze, ein Tritonshorn, ein kurzes, zweischneidig mit Haifischzähnen besetztes hölzernes Schwert. Sie brachten uns frisches Wasser in Kokosschalen; sie wollten uns an das Land ziehen; einer versuchte in unser Boot zu steigen. Der Auftritt war dem bei den Penrhyn-Inseln zu vergleichen. – Wir ließen ihnen ziemlich viel Eisen und fuhren an das Schiff zurück.

Die Länge der Insel Mesid von Norden gegen Süden mag ungefähr zwei Meilen betragen. Wir nahten ihr auf der schmälern südlichen Seite, wo Wohnungen der Menschen sind. Die Kokospalmen, unregelmäßig verteilt, erheben sich nicht sehr hoch über den niedern Wald, dessen Hauptbestandteil der Pandanus ausmacht. Man erblickt weithin unter dem grünen Laubdach den von Dammerde entblößten weißen Korallengrund. Die Ansicht ist der von der Insel Romanzow zu vergleichen, doch ist wohl letztere minder dürftig.

Wir steuerten nach Westen und hatten am Abend mit schwachem Winde die Insel aus dem Gesichte verloren.

Wir sahen am 3. mehrere Schnepfen und Strandläufer, einen Walfisch (Physeter) und etliche Pelikane, von denen einer geschossen ward. Wir legten um und steuerten nach Südosten.

Am 4. gegen Mittag, als wir im Begriff waren, das fernere Suchen aufzugeben, kamen wir auf eine Kette von Inseln, die sich unabsehbar von Osten in Westen erstreckte. Auf den begrünten Punkten, die Riff und Brandung vereinigten, erhob sich nicht der Kokosbaum, und nichts verriet die Gegenwart des Menschen. Wir erreichten am Abend die Westspitze der Gruppe und fanden uns unter dem Winde derselben in einem ruhigen Meere. Das Riff, von Land entblößt, nahm eine südöstliche Richtung. Wir segelten längs desselben und entdeckten Lücken in ihm, die uns die Hoffnung gaben, in das innere Becken, das eine ruhige Spiegelfläche darbot, einzudringen. Während der Nacht trieb uns der Strom nach Nordwesten. Am Morgen des 5. war das Land verschwunden. Wir erreichten erst gegen neun Uhr den Punkt, wo uns die Nacht befallen hatte.

Der Leutnant Schischmarew ward ausgesandt, die Eingänge zu untersuchen; und bei dem zweiten verkündigten uns seine Signale, daß ein Tor für den »Rurik« gefunden sei. Da stieg von einer der entfernteren Inseln eine Rauchsäule auf; wir begrüßten frohlockend das Zeichen der Menschen. Kein Fahrzeug der Insulaner ließ sich erblicken.

Der Tag neigte sich schon. Das Boot ward zurückgerufen, und um uns die Nacht auf unserm jetzigen Standpunkt zu behaupten, ward ein Werpanker auf das Riff hinausgetragen und befestigt, dessen Tau in Empfang zu nehmen der »Rurik« unter Segel an die schäumende Brandung hinanfuhr. »So klammert sich der Schiffer endlich noch am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.« Der wehende Nordostpassat hielt uns um die Länge eines Taues von unserm Untergange entfernt.

Hier um das Riff und seine Öffnungen umringten uns Boniten, Fliegende Fische und eine Unzahl Haifische, die unsere Boote bedrohlich verfolgten. Zwei wurden gefangen und verspeist.

Am 6. veränderte sich vor Tagesanbruch der Wind, und zum Osten übergehend, trieb er uns der schäumenden Brandung zu. Vom Kabeltau uns lösend, gingen wir unter Segel. Sobald die Sonne aufgegangen, kehrten wir zurück. Um zehn Uhr morgens drangen wir, zu beiden Seiten von der Brandung umbraust, alle Segel aufgespannt, mit Wind und Strom durch die Rurik-Straße in das innere Meer der Gruppe Otdia der Inselkette Radack ein.

Indem das Becken mit der Ebbe und Flut sich leert und füllt, setzt der Strom zu den Lücken seines Randes bei der Ebbe hinaus und mit wiederkehrender Flut hinein.

Mit dem Boote ausgesandt, ermittelte der Leutnant Schischmarew bei der westlichsten der Inseln einen gesicherten Platz, wo der »Rurik« die Anker fallen ließ.

Die kühnen und geschickten Manöver, die Herr von Kotzebue beim Eingange in dieses und in andere ähnliche Riffgehege ausgeführt hat, müssen selbst bei dem, der von der Schiffahrt keine Kenntnis hat, Interesse erwecken. Der Europäer, der fern von der Heimat mit Völkern verkehrt, über die er sich im Vorteil fühlt, wird von manchen Anwandlungen des Dünkels versucht, denen sich hinzugeben er sich nicht übereilen müßte. Diese Söhne des Meeres, meinte ich, werden sich doch verwundern, wenn sie unser Riesenschiff mit ausgespannten Flügeln wie den Vogel der Luft gegen die Richtung des Windes, der es trägt, sich bewegen, in die Befriedigung ihrer Riffe eindringen und gegen ihre Wohnsitze dort nach Osten fortschreiten sehen. Und siehe! ich habe selber verwundert sehen müssen, daß, während wir schwerfällig lavierten und wenig über den Wind gewannen, sie auf ihren kunstreichen Fahrzeugen den graden Strich hielten, den wir auf krummen Wegen verfolgten, uns voraneilten und das Segel fallen ließen, um uns zu erwarten.

Von diesen Fahrzeugen hatte Herr von Kotzebue auf Otdia mit Zuziehung der erfahrensten Eingebornen ein großes, genügendes Modell mit allem Fleiße verfertigen lassen und hatte dem Gegenstande die Aufmerksamkeit, die er von dem Seemann erzwingt, gewidmet. Sein Werk hat mich in der Erwartung getäuscht, Genügendes darin über die Oa der Radacker zu finden. Choris in seinem »Voyage pittoresque«, »Radack«, T. XI, XII, gibt drei verschiedene Ansichten derselben. Die Seitenansicht, T. XI, ist treu, das Profil aber unrichtig. Der Fuß des Mastes ruht immer auf dem Hängeboden außerhalb des Schiffskörpers auf der Seite des Schwimmbalkens, so wie auf dem Grundriß, T. XII, zu sehen ist. Auf diesem Grundrisse neigt aber der Mast weiter nach außen und dem Schwimmbalken hin, als der Wirklichkeit entspricht. Im ganzen sind diese Zeichnungen unzureichend. Besser ist auf der T. XVII das Boot der Karolinen-Inseln abgebildet, welches im wesentlichen mit dem von Radack übereinstimmt. Keine Beschreibung vermag ein Bild von dem beschriebenen Gegenstande zu erwecken, und dennoch muß ich mit schnellen Worten versuchen, das Boot, von dem die Rede ist, dem Leser anzudeuten. Es hat zwei gleiche Enden, die gleich geschickt sind, beim Fahren zum Vorder- und Hinterteile zu werden, und zwei ungleiche Seiten, von denen eine unter dem Winde, die andere über dem Winde bleibt. Unter dem Winde von einer geraden Fläche begrenzt, über dem Wind nur wenig bauchig, schmal, tief, scharfkielig, an den Enden etwas aufwärts gekrümmt ist der Schiffsrumpf, welcher nur als Schwimmkörper dient. Quer über die Mitte desselben ist ein elastischer Hängeboden befestigt, der nach beiden Seiten hinaus über das Wasser ragt; kürzer unter dem Winde, länger auf der Windseite, wo dies leichte Gebälk gegen das Ende nach unten zu gebogen ist und sich einem dem Schwimmkörper parallelen Schwimmbalken anfügt. Auf diesem Hängeboden, außerhalb des Körpers auf der Windseite, ist der Mast, der, an mehreren Seilen befestigt, nach dem Ende geneigt wird, welches zum vorderen werden soll und an dem ein einfaches, dreieckiges Segel aufgezogen wird, von dem eine Ecke an dem Vorderschiff befestigt wird. Gesteuert wird vom Hinterteile des Schiffes mit einem Handruder; die Schiffenden stehen oder liegen auf dem Hängeboden und nehmen ihren Stand bei stärkerm Winde näher dem Schwimmbalken und bei schwächerem näher dem Schiffskörper. Auf demselben Hängeboden sind zu beiden Seiten des Schiffes Kasten angebracht, worin Proviant und sonstige Habe verwahrt wird. Die größten dieser Fahrzeuge können an dreißig Personen tragen.

Ich füge die Maße von einem dieser Fahrzeuge bei, welches kaum von mittlerer Größe war:

 

Länge des Schiffskörpers 17 Fuß 6 Zoll
Breite desselben 1 " 10 "
Tiefe desselben 3 " 7 "
Abstand des Schwimmbalkens von dem Körper des Schiffes 11 " 10 "
Länge des Vorsprunges von dem Hängeboden über den Schiffskörper auf der Seite unter dem Winde 3 " 0 "
Höhe des Mastbaumes 19 " 6 "
Länge der Rahe 23 " 4 "

 

Herr von Kotzebue hat auf Aur zwei Boote von achtunddreißig Fuß Länge gemessen.

Ich werde nicht den Leser einzuschläfern mich bemühen mit ausführlichem Berichte unserer täglichen Versuche und Wahrnehmungen während unseres Aufenthaltes in diesem Hafen. Die Absicht war, nachdem wir, was am 7. geschah, den auf dem Riffe zurückgelassenen Werpanker wieder aufgenommen, nötig erachtete astronomische Beobachtungen gemacht und in Booten voraus rekognosziert hätten, tiefer ostwärts in die Gruppe einzudringen, wo wir die festen Wohnsitze der Menschen zu vermuten berechtigt waren.

Einen traurigen Anblick gewährte dieser westliche Teil der Kette. Die nächsten Inseln um uns waren wüst und ohne Wasser, aber der Mensch hatte auf ihnen seine Spur zurückgelassen, und der jüngst angepflanzte Kokosbaum zeugte von seiner sorgsamen Betriebsamkeit. Es ist wahrlich schwer, alles vorauszusehen, was in einer kleinen Welt wie die unsrige vorfallen kann. Einmal fiel unser alberner Koch über diese Pflanzung her, um die Hoffnung künftiger Geschlechter zu einem Gerichte Gemüse für unsern Tisch zu verbrauchen. Daß es nicht wieder geschah, brauche ich nicht zu sagen.

Auf der vierten Insel (vom Westen an gerechnet) waren neben einer Wassergrube Strohdächer, die, auf niederen Pfosten ruhend, uns nur zu einem Schirm bei gelegentlichem Besuch dieser Gegend bestimmt zu sein schienen. Außer dem Kokosbaum war da auch der Brotfruchtbaum angepflanzt. Auf dieser Insel landete am 6. ein Boot der Eingebornen und ging sodann wieder in die See, uns aus scheuer Entfernung zu betrachten. Es gelang uns nicht, die Menschen an uns zu locken, und auch vor dem Boote, worin wir ihnen entgegenruderten, ergriffen sie ängstlich die Flucht. Sie warfen uns etliche Früchte zu und luden uns an das Land; es war derselbe Auftritt wie im vorigen Jahre auf der hohen See bei Udirick.

Das Boot zeigte sich wiederum am andern Tage, und da folgten wir den Menschen auf ihre Insel. Bei unserm Nahen traten die Weiber in das Dickicht zurück. Die Männer, erst nur wenige, kamen uns zögernd mit grünen Zweigen entgegen; wir brachen auch grüne Zweige; der schon oft gehörte Friedensgruß »Eidara!« ward uns zugerufen, und wir erwiderten ihn auf gleiche Weise. Keine Waffe war gegen uns, die gefürchteten Fremden, in Bereitschaft gehalten. Nachdem wir mit den ersten Freundschaft gestiftet, kamen die andern herbei, und die Weiber wurden herbeigerufen. Die Menschen schienen uns freudig, freundlich, bescheiden, freigebig und nicht erpicht auf Gewinn. Allen Schmuck, den sie trugen, ihre zierlichen Muschel- und Blumenkränze, ihre Halsbänder usw., gaben uns Mann und Weib, und es schien mehr ein anmutiges Liebeszeichen zu sein denn eine Gabe.

Der Kapitän fuhr am nächsten Tage selber nach dieser Insel, fand aber unsere Freunde nicht mehr dort, die, vermutlich um frohe Botschaft von unserer friedlichen Gesinnung zu verkünden, sich fortbegeben hatten.

Von den Tieren, die wir zu O-Wahu an Bord genommen, waren noch etliche Ziegen vorhanden. Diese setzte Herr von Kotzebue auf der Insel aus, wo sie vorläufig zum Entsetzen der rückkehrenden Insulaner gereichten. Bei der frommen Absicht, diese nutzbare Tierart auf Radack einzuführen, war unbeachtet geblieben, daß bei der kleinen Herde ein Bock sich befand (hoffentlich nicht der einzige), ein Bock, sage ich, der, horribile dictu!, der ein kastrierter war. Derselbe, ob vor Scham, seinem Amte nicht gewachsen zu sein, ob an Gift oder Krankheit, starb sogleich, und dessen geschwollener Körper ward am andern Tage am Strande gefunden. Außer den Ziegen wurden auf der Insel ein Hahn und ein Huhn zurückgelassen, die alsbald Besitz von einem Hause nahmen. Wir brachten später in Erfahrung, daß Hühner einheimisch auf diesen Riffen sind. Endlich wurden auch etliche Wurzeln und Gewächse gepflanzt und ausgesäet. Etliche kleine Geschenke wurden in den Häusern zurückgelassen.

Chramtschenko fand am andern Tag Menschen auf der Insel, etliche Männer, andere als die, mit denen wir zuerst Freundschaft gestiftet. Die Insulaner wandern zur Ebbezeit längs dem Riffe zu entfernteren Inseln. Er ward aufs freundlichste empfangen und bewirtet. Die von uns ausgesetzten Geschenke lagen unangerührt, wo und wie wir sie hingelegt hatten. Sie erzeugten, als er sie verteilte, eine lebhafte Freude. Aber die Ziegen verbreiteten den größten Schrecken.

Der Leutnant Schischmarew ward am 10. Januar mit der Barkasse auf eine Rekognoszierung ausgeschickt. Der Wind setzte ihm Schwierigkeiten entgegen. Er sah nur unbewohnte Inseln und kehrte am Abende zurück. Am 12. gingen wir unter Segel; das Wetter war ungünstig, wir mußten bald zu unserm alten Ankerplatze zurückkehren.

Am 14. unternahm der Kapitän selber mit Offizier und Passagieren eine zweite Fahrt auf Booten längs der Inselkette.


Rarick

Ein Fahrzeug der Eingebornen war auf der Ziegeninsel gelandet, und die Menschen, als wir an ihnen vorüberfuhren, riefen uns herbei und suchten mit dargehaltenen Früchten und Geschenken uns heranzulocken. Auf der nächsten Insel nach Osten, wo wir übernachteten, erhielten wir am 15. früh den ersten Besuch von Rarick, dem Häuptlinge dieser Gruppe. Er kam mit zwei Booten. Auf dem größern, auf dem er selbst fuhr, zählte Herr von Kotzebue fünfundzwanzig Mann. Rarick, seine übrigen Mannen auf den Schiffen lassend, kam mit dreien an das Land und brachte dem Machthaber des fremden Volkes seine Geschenke, vielleicht seine Huldigung dar. – So gingen einst die Fürsten Europas dem entgegen, der Macht hatte über sie. Rarick stand aber vor keinem Eroberer und fand Freundschaft und nicht Demütigung. – Der junge Mann hatte bei dieser ersten, für ihn so ernsten Zusammenkunft einen musterhaften Anstand, und seine zaghaften Begleiter schienen mehr für ihn zu fürchten als er selbst. – Wir haben bei den Fürsten immer mehr Selbstvertrauen, mehr Mut und Edelmut gefunden als bei dem Volke. Es liegt der Wesenheit der Dinge nach in den Verhältnissen; so unterscheidet sich auch in der Levante der Türke von dem Raja. Rarick, der später mein sehr vertrauter Freund wurde, zeichnete sich besonders durch Sanftmut und Gutmütigkeit aus, nicht aber durch besondere Geistesgaben. – Kotzebue und er setzten sich einander gegenüber, und um die zwei bildeten wir und die andern Radacker einen Kreis. Der junge Fürst gab mit lautem Zuruf den auf den Schiffen Zurückgebliebenen Kunde von allem, was seine Aufmerksamkeit fesselte und für ihn eine neue Erfahrung war. Jrîo! Jrîo!, der Ausruf der Verwunderung, ward oft erhoben und widerhallte langgedehnt aus aller Munde. Wir suchten wechselseitig zuerst unsere Namen zu erforschen. Kotzebue, Rarick, wir alle waren genannt; wir fragten nach dem Namen des Radackers, der dem Häuptling zur Linken saß. »Jeridili?« sprach dieser fragend, indem er sich nach jenem umsah. Wir faßten das Wort auf, und der Jüngling ließ es für seinen Namen gelten, so wie wir es nahmen; noch heißt er für uns Jeridili. Das Gelächter, das sich da erhob, verstanden wir erst in der Folgezeit, als uns Kadu belehrte, Jeridili bedeute »links« und sei keines Menschen Name. Ich glaube, daß es schon bei dieser ersten Zusammenkunft war, wo Rarick unserm Kapitän den freundlichen Namenstausch anbot. Bei einer späteren Gelegenheit bot Jeridili diesen seinen Namen dem Doktor Eschscholtz an gegen den seinen, den er noch nicht wußte und nach dem er fragte. Eschscholtz verstand ihn nicht, und ich trat verdolmetschend zwischen beide. »Dein Name!« rief ich dem Freunde zu. »Deinnam«, wiederholte der Radacker. »Ja, Deinnam«, beteuerte der Doktor; und so tauschten die zwei unverschämt ihre falschen Münzen gegeneinander.

Unsere Freunde hatten sich für uns ihres ganzen Schmuckes beraubt. Nun ließ der Kapitän Eisen, Messer, Scheren und andere Kleinigkeiten aus den Booten holen. Eisen! Eisen! Mäl! Mäl! Da mochte man den wirklichen Wert dieses köstlichen Metalls einsehen lernen. Mäl! Mäl! Selbst die auf den Schiffen zurückgelassen worden, widerstanden dem Zuge nicht; die Ordnung war gebrochen, alle strömten herbei, nur um das Eisen, die Schätze anzuschauen, unsern überschwenglichen Reichtum! – Aber kein roher Ausbruch der Begehrlichkeit, keine Verletzung der Sitte.

Während unseres langen Aufenthaltes auf Radack sind nur ein paar Diebstahlsversuche an uns begangen worden. Wahrlich, wenn Fremde unbesorgt so viel Gold der Habsucht unseres Pöbels aussetzten, würden sie den Europäern kein so gutes Zeugnis der Ehrlichkeit zu sprechen haben als wir diesem Volke.

Alle wurden reichlich beschenkt. Herr von Kotzebue machte dem Rarick begreiflich, daß er seinen Wohnort aufsuche, und lud ihn ein, in unser Boot zu steigen und uns dahin zu lotsen. Rarick verstand ihn wohl und stieg auch mutig in unser Boot; aber die Meinung seiner Begleiter, bei denen noch nicht alle Besorgnis beseitigt war, schien solchem Wagnis entgegen zu sein, und auch ihn schien ein mächtiger Reiz anderwärts zu ziehen: jene Tiere, von denen er gehört, die wunderbaren, langbärtigen, die zu sehen auch ein Zweck seiner Reise war. – Mir fällt ein, daß eben die Ziegen auf anderen Inseln der Südsee, wohin sie die Europäer gebracht haben, nicht unrichtig zu den Vögeln gezählt wurden; denn Schweine, Hunde oder Ratten sind es einmal nicht; diese haben ihre Namen, und außer ihnen gibt es nur Vögel oder Fische. – Endlich gab Rarick der Versuchung nach; er sprang ins Wasser und schwamm zu seinen Schiffen, mit denen er den Kurs nach der Ziegeninsel nahm.

Wir übernachteten am 15. auf der neunten Insel, wo wir nur verlassene Häuser fanden. Sie war reicher an Humus als die Ziegeninsel, und die Vegetation war auf ihr üppiger.

Am 16. hielten wir zu Mittag auf der dreizehnten Insel und hatten vom Schiffe her erst neun Meilen zurückgelegt. Hier erhielten wir den zweiten Besuch von Rarick, der mit zweien Begleitern längs dem Riffe wandernd zu uns kam und sich mit uns freute. Seine Schiffe kamen ihm gegen den Wind segelnd bald nach und legten bei unseren Booten an. Nun lud er den Kapitän ein, in sein Schiff zu steigen und mit ihm nach seiner Insel zu fahren. Wir versprachen ihm zu folgen, und er schiffte sich ein. Wir fuhren nachmittags noch anderthalb Meilen zu der vierzehnten Insel, der hochbewaldeten, die ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« besonders erwähnt habe. Von da erstreckte sich das Riff nach Nordosten mehrere Meilen weit landentblößt; die nächste Insel war kaum am Horizonte zu sehen. Ein Schiff konnte bei der Insel, wo wir waren, ankern. Der Kapitän ließ Segel aufspannen, und bei frischem Wind erreichten wir noch am selben Abende den »Rurik«.

Am 18. Januar ging früh am Morgen der »Rurik« unter Segel. Der Wind war günstig und zwang uns erst am Nachmittag zu lavieren; das Wetter war klar, und die helle Sonne, welche die Untiefen beschien, machte das Senkblei entbehrlich. Um vier Uhr warfen wir Anker vor Oromed, der siebzehnten Insel vom Westen an gerechnet, die, von der westlichsten beiläufig zwanzig Meilen entfernt, den nördlichen Winkel der Gruppe einnimmt. Wir übersahen von diesem wohlgeschützten Ankerplatze den nordöstlichen Teil der Gruppe, den mit kleineren Inseln dicht besetzten Wall, der in Nordostrichtung dem herrschenden Winde entgegensieht. Wir waren in dem bewohnteren Teile der Gruppe.

Ein Boot, worauf wir einen der Begleiter Raricks erkannten, brachte uns ein Geschenk von Früchten. Aber die Furcht war noch nicht bezwungen, und auf das Schiff zu steigen vermaß sich keiner.

Auf Oromed, der fruchtbarsten der Inseln dieses Riffes, auf welcher jedoch der Kokosbaum den Wald noch nicht überragt, empfing uns ein hochbejahrter, würdiger Greis, der Häuptling Laergaß. Großherzig und uneigennützig war er vor allen Menschen, die ich gekannt. Er mochte nur geben, schenken und tat es zu der Zeit, wo kein Gegengeschenk mehr zu erwarten war. Durch diesen Charakterzug unterschied er sich sehr von Rarick, dem diese Tugenden abgingen.

Die Bevölkerung der Insel schien aus ungefähr dreißig Menschen zu bestehen. Ihre festen Wohnsitze unterschieden sich nicht von den Dächern, die wir auf den westlicheren Inseln gesehen. Als wir uns eben der Gastfreundschaft des alten Häuptlings erfreuten und mit dem Schmucke schmückten, den die Töchter der Insel uns dargereicht, störte ein Schrecknis die behagliche Stimmung. Unser kleiner Valet kam, seiner Furchtbarkeit unbewußt, munter herbeigesprungen; und wie vor dem nie gesehenen Ungeheuer alles floh und er gar zu blaffen anfing, hatten wir keine geringe Mühe, das verlorene Zutrauen wiederherzustellen.

Die Radacker, die kein anderes Säugetier als die Ratte gekannt, trugen vor unsern Tieren, Hund, Schwein und Ziege, eine gar schwer zu überwindende Scheu. Aber vor allen furchtbar war ihnen der kleine Valet, der lustig und behend allen nachlief und zuweilen bellte. Der große Valet, den der Kapitän aus der Berings-Straße mitgebracht, war kein solches Ungetüm; er machte sich mit keinem zu schaffen. Er krepierte während unsers Aufenthalts auf Radack, und zwar auf der Gruppe Aur. Vermutlich wurde ihm das heiße Klima verderblich.

Wir verließen am 20. Januar diesen Ankerplatz, und längs des Riffes segelnd, kamen wir nach einer kurzen Fahrt vor Otdia, der Hauptinsel der Gruppe gleiches Namens, welche, die größte im Umfang, den äußersten Osten des Umkreises einnimmt. Wir fanden unter dem Schutze der Insel guten Ankergrund und lagen sicher wie im besten Hafen. Das Riff biegt sich über Otdia hinaus nach Südsüdwest und dann, von Land entblößt, nach West und der Rurik-Straße hin. – Die Länge der Gruppe von Westen nach Osten beträgt an dreißig Meilen, ihre größte Breite von Norden nach Süden zwölf Meilen. Herr von Kotzebue zählte fünfundsechzig Inseln in ihrem Umkreis.

Otdia war, wie man uns zu Oromed angedeutet, der Wohnsitz von Rarick. Ich ward zuerst ans Land geschickt; bald aber bestieg er, auf das zierlichste geschmückt, sein Boot, kam an das Schiff und stieg, der erste der Radacker, furchtlos auf dasselbe.

Diese sinnreichen Schiffer, deren Kunst unsere Bewunderung erzwingt, schenkten natürlich dem Riesenbau unseres Schiffes die gespannteste Aufmerksamkeit. Alles ward betrachtet, untersucht, gemessen. Ein leichtes war es, die Masten hinan bis zu der Flaggenstange zu klettern, die Rahe, die Segel, alles da oben zu besichtigen und sich jubelnd im luftigen Netze des Tauwerkes zu schaukeln. Aber ein anderes war es, sich dort durch das enge Loch hinunterzulassen und dem rätselhaften Fremden aus dem heiteren Luftreich in die dunkle Tiefe, in die grauenerregende Heimlichkeit seiner gezimmerten Welt zu folgen. Das vermochten nur zuerst die Tapfersten, in der Regel die Fürsten; ich glaube, der gute Rarick schickte einen seiner Mannen voran.

Wie könnte man doch einen dieser Insulaner oder einen O-Waihier, gewohnt, in der freien schönen Natur unter dem Baldachin seiner Kokospalmen der Herrlichkeit seiner Festspiele sich zu freuen, in die dunkeln, bei Tagesscheine halb und düster von Lampen erhellten Irrgänge eines unserer Schauspielhäuser hineinlocken und ihn bereden, in diesem unheimlichen, mördergrubenähnlichen Aufenthalt werde ein Fest bereitet. – Wahrlich, Trauer befällt mich, wann ich lese, daß in Athen ein Schauspielhaus nach unserem Zuschnitt gebauet werde, um darin Ballette aufzuführen.

Da unten in der Kajüte war der große Spiegel. – Goethe sagt in den »Wanderjahren«: »Sehrohre haben durchaus etwas Magisches; wären wir nicht von Jugend auf gewohnt, hindurchzuschauen, wir würden jedesmal, wenn wir sie vors Auge nehmen, schaudern und erschrecken.« Ein tapferer und gelehrter Offizier hat mir gesagt, er empfinde vor dem Fernrohre, was man Furcht zu nennen pflege, und müsse, um hindurchzusehen, seine ganze Kraft zusammennehmen. Der Spiegel ist ein anderes, ähnliches Zauberinstrument, das wir gewohnt geworden sind und welches doch noch in der Märchen- und Zauberwelt seine Unheimlichkeit behält. Der Spiegel versetzte unsere Freunde in der Regel nach dem ersten Erstaunen in die ausgelassenste Lustigkeit. Doch fand sich auch einer, der sich davor entsetzte, schweigend hinausging und nicht wieder daran zu bringen war.

Zu Hamburg kam ich einmal unvorbereitet in ein Haus, auf dessen langem Flur zu beiden Seiten blanke Silberbarren mannshoch aufgespeichert waren. Mich ergriff seltsam die darin schlummernde Macht, und es war mir, als schritte ich durch ein überfülltes Pulvermagazin. Natürlich mußte Ähnliches in unsern Freunden vorgehen, wenn sie unsere eisernen Kanonen und Anker betrachteten.

Die Schätze unserer Freunde bestanden in etlichen Eisenstücken und wenigen harten, zum Schleifen des Eisens brauchbaren Steinen, die das Meer auf die Riffe ausgeworfen; jene auf Schiffstrümmern, diese im Wurzelgeflechte ausgerissener Bäume. Ihre Schiffe, ihr Schmuck und ihre Trommel, das war ihr Besitztum. Nirgends ist der Himmel schöner, die Temperatur gleichmäßiger als auf den Niedern Inseln. Das Meer und der wehende Wind halten die Waage, und schnell vorübergehende Regenschauer ermangeln nicht, den Wald in üppigem, grünem Glanze zu erhalten. Man taucht in die dunkle blaue Flut mit Lust, sich abzukühlen, wann man von der scheitelrechten Sonne durchglühet ward, und taucht in dieselbe mit Lust, sich zu erwärmen, wann nach einer im Freien durchbrachten Nacht man die Kühlung des Morgens fühlt. Warum muß, denen die Sonne so mild ist, die Erde so stiefmütterlich sein? Der Pandanus, dessen süßen, würzigen Saft sie saugen, dient auf anderen Inseln nur zu einem wohlriechenden Schmucke. Die Nahrung scheint Bienen mehr als Menschen angemessen. Zum Anbau nahrhafter Wurzeln und Pflanzen, worauf sie sehr bedacht sind, eignet sich fast nirgends der Grund; aber überall um ihre Wohnungen angepflanzt, zeugt ein schön und wohlriechend blühendes Liliengewächs von ihrer Arbeitsamkeit und von ihrem Schönheitssinn.

Sie könnten vielleicht aus dem Fischfange ergiebigere Nahrung ziehen und dem Haifische nachstellen, der die Zugänge ihrer Riffe belagert. Wir haben sie nur sehr kleine Fische essen sehen und nur sehr kleine Fischangeln von ihnen erhalten.

Wir haben uns mit Fleiß und Liebe bemüht, ihnen neue Nahrungszweige zu eröffnen. Nach Herrn von Kotzebues zweiter »Reise« scheint von den Tieren und Pflanzen, die wir ihnen gebracht, wenigstens die Jamswurzel sich erhalten zu haben und unsere fromme Absicht nicht ganz getäuscht worden zu sein.

Aber ich muß, ohne mich ängstlich an die Zeitfolge zu binden, einiges von unsern Freunden erzählen, mit denen wir, nachdem sie die erste Scheu überwunden, auf dem vertrautesten Fuße lebten.

Auf der Insel Otdia, die über zwei Meilen lang ist, hatten ungefähr sechzig Menschen ihre gewöhnlichen Wohnsitze, aber häufige Wanderungen fanden statt, und unsere Gegenwart zog Gäste aus den entfernteren Teilen der Gruppe herbei. Wir durchschweiften täglich einzeln die Insel, schlossen uns jeder Familie an und schliefen unbesorgt unter ihren Dächern. Sie kamen, gleich gern gesehen, an das Schiff, und die Häuptlinge und Angesehensten wurden an unsere Tafel gezogen, wo sie mit leichtem und gutem Anstande sich in unsere Bräuche zu fügen wußten.

Unter den Bewohnern von Otdia machte sich bald ein Mann bemerkbar, der, nicht von adeligem Stamme, sich durch Geist und Verstand, durch schnelle Auffassung und leichte Darstellungsgabe vor allen andern auszeichnete. Lagediack, der Mann unseres Vertrauens, von dem wir am mehrsten lernten und durch den wir unsern Lehren Eingang im Volke zu verschaffen Hoffnung faßten, tauschte später mit mir seinen Namen. Herr von Kotzebue erhielt zuerst von Lagediack wichtige Aufschlüsse über die Geographie von Radack. Durch ihn erhielt er Kunde von den schiffbaren Furten, die im südlichen Riffe von Otdia befindlich sind, von der Nachbargruppe Erigup, von den übrigen Gruppen, aus welchen die Inselkette besteht. Lagediack zeichnete seine Karte mit Steinen auf den Strand, mit dem Griffel auf die Schiefertafel und zeigte die Richtungen an, die nach dem Kompaß verzeichnet werden konnten. Mit ihm legte Herr von Kotzebue den Grundstein zu der interessanten Arbeit, die er über Radack und die westlichere Inselkette Ralick geliefert hat. Der erste Schritt war getan; es galt nur weiter zu gehen.

Lagediack begriff gar wohl die Absicht, die wir hatten, die Arten hier noch unbekannter, nutzbarer Gewächse zum Besten des Volkes einzuführen, einen Garten anzubauen und Sämereien auszuteilen. Am 22. ward mit der Anlage des Gartens der Anfang gemacht, der Grund gesäubert, die Erde durchwühlt, Ignamwurzeln gelegt, Melonen und Wassermelonen ausgesäet. Unsere Freunde waren um uns versammelt und schauten teilnehmend und aufmerksam unserm Werke zu; Lagediack erläuterte unser Beginnen und war unablässig bemüht, die von uns erhaltenen Lehren zu verbreiten und einzuprägen. Wir teilten Sämereien aus, nach welchen erfreuliche Nachfrage war, und wir hatten die Freude, in den nächsten Tagen mehrere Privatgärten nach dem Vorbild des unsern entstehen zu sehen.

Bei der erwähnten Gartenarbeit am 22. ereignete sich, was ich hier, um einen Charakterzug unserer liebenswerten Freunde zu zeichnen, erzählen will. Als ich eben die Zuschauer ansah, ward ich auf mehreren Gesichtern zugleich ein schmerzliches Zucken gewahr. Ich wandte mich zu dem Matrosen, der, um Raum zu gewinnen, das Gesträuch ausreutete und den Wald lichtete; er hatte eben die Axt an einen schönen Schößling des hier so seltenen und so wertvollen Brotfruchtbaumes gelegt. Das Unglück war geschehen, der junge Baum war gefällt. Wenngleich der Mann unwissend gesündigt hatte, mußte doch der Befehlshaber die Verantwortlichkeit für die Tat offenkundig von sich abwälzen; und so fuhr der Kapitän zürnend den Matrosen an, der die Axt abgeben und sich zurückziehen mußte. Da traten die guten Radacker begütigend und fürsprechend dazwischen, und einige gingen dem Matrosen nach, den sie liebkosend zu trösten suchten und dem sie Geschenke aufdrangen.

Die Ratten, die auf diesen Inseln in gar unerhörter Menge sind, hatten am andern Tage bereits vieles zerstört und die mehrsten Sämereien aus der Erde geholt. Doch war, als wir Otdia verließen, unser Garten in blühendem Zustande. Bei unserm zweiten Besuch auf Radack im nächsten Spätjahr ließen wir Katzen auf dieser Insel zurück. Herr von Kotzebue, auf seiner zweiten Reise im Jahre 1824, fand sie verwildert und vermehrt, ohne daß die Anzahl der Ratten abgenommen.

Die Schmiede ward am 24. Januar auf dem Lande aufgestellt. Sie blieb mit dem überschwenglichen Reichtum an Eisen unter der Obhut eines einzigen Matrosen, der dabei schlief. An einem der folgenden Tage wollte sich einmal ein alter Mann eines Stückes Eisen gewaltsam bemächtigen, in welchem Unterfangen er von seinen entrüsteten Landsleuten auch mit Gewalt verhindert ward – das ist kein Diebstahl zu nennen. Aber auch da, wo wirklicher Diebstahl begangen wurde, ward stets von seiten der Radacker der größte Unwille an den Tag gelegt und die lauteste Mißbilligung ausgesprochen.

Einleuchtend ist, welch ein anziehendes Schauspiel für unsere Freunde die von ihnen nicht geahnete Behandlung des kostbaren Eisens im Feuer und unter dem Hammer sein mußte. Die Schmiede versammelte um sich die ganze Bevölkerung. Freund Lagediack war einer der aufmerksamsten und mutigsten dabei; denn Mut erfordert es wohl, das unbekannte Spiel des Blasebalges und das Sprühen der Funken in der Nähe zu betrachten. Für ihn ward auch zuerst eine Harpune geschmiedet, dann eine zweite für Rarick und etliche Kleinigkeiten für andere, bevor die Arbeiten für den »Rurik« vorgenommen wurden.

Wir hatten noch ein Paar o-waihische Schweine, Männchen und Weibchen, worüber verfügt werden konnte und die wir unseren Freunden bestimmt hatten. Wir hatten Sorge getragen, alle, die uns auf dem »Rurik« besuchten, an den Anblick dieser Tiere zu gewöhnen und ihnen einzuprägen, daß ihr Fleisch es sei, welches uns zur Nahrung diene und welches viele an unserm Tische gekostet und wohlschmeckend gefunden hatten. Die Schweine wurden am 26. ans Land gebracht und in einer Umzäunung verwahrt, die für sie in der Nähe von Raricks Hause vorbereitet worden. Ein Matrose wurde der Pflege der noch gefürchteten Tiere vorgesetzt. Auf den verständigen Lagediack, der von der Wichtigkeit unseres Geschenkes durchdrungen war, wurde am mehrsten bei dem gutgemeinten Versuche gerechnet, welcher doch am Ende, wie zu erwarten war, mißglückte. Die verwahrlosten Tiere wurden später in Freiheit gesetzt und kamen doch bald nach unserer Abreise um.

Ein Paar Hühner, unsere letzten, hatten wir noch dem Lagediack geschenkt.

In süßer Gewöhnung mit den Radackern lebend, studierte ich mit allem Fleiß die Beschaffenheit ihrer neptunischen Wohnsitze und hoffte, zu der besseren Kenntnis der Korallenriffe und Inseln nicht verwerfliche Zeugnisse zu sammeln. Die Korallen selbst und Madreporen hätten zu ihrem Studium ein eigenes ganzes Menschenleben erfodert. Die gebleichten Skelette, die man von ihnen in den Sammlungen aufbewahrt, sind nur geringen Wertes, doch wollte ich sie sammeln und mitbringen. Eschscholtz hatte beim Baden alle vorkommenden Formen und Arten vollständig zusammenzubringen sich bemüht, auserwählte kleine Exemplare von denselben auf das Schiff gebracht und sie zum Bleichen und Austrocknen in den leeren Hühnerkasten untergebracht. Es ist wahr, daß Polypenstöcke in diesem Zustande keinen angenehmen Geruch verbreiten. Als er sich eines Morgens nach seinen Korallen umsehen wollte, waren sie samt und sonders über Bord geworfen worden. Am südlichen Ende von Otdia, wo Lücken in den obern Steinlagern des Riffes Becken bilden, in welchen man in ruhigem Wasser des Bades genießen und dabei unter blühenden Korallengärten den Rätseln dieser Bildungen behaglich nachforschen und nachsinnen mag, hatte ich mir im Kalksande des Strandes einen Raum abgegrenzt, in welchem ich Korallen, Seeigel und alles der Art, was ich aufbewahren wollte, der dörrenden Sonne aussetzte. Ich hatte in meinem Hag einen Stab eingepflanzt und daran einen Büschel Pandanusblätter, das Zeichen des Eigentums, gebunden. Unter diesem Schirme war meine Anstalt den guten Radackern, auf deren Wege sie lag, heilig geblieben, und kein spielender Knabe hatte je das Geringste in dem bezeichneten Bezirke angerührt. Aber wer kann alles vorhersehen? Unsere Matrosen erhielten an einem Sonntage Urlaub, sich am Lande zu ergehen, und unternahmen eine Wanderung um den Umkreis der Insel. Sie entdeckten meinen Trockenplatz, zerstörten von Grund aus meine mühsam zusammengebrachte Sammlung und suchten mich dann gutmütig auf, mir Kunde von ihrer Entdeckung und Bruchstücke von meinen zerschlagenen Korallen zu geben. Ich habe doch noch eine hübsche Sammlung von den Madreporen von Radack zusammengebracht und sie, die eine große Kiste füllte, dem Berliner Museum geschenkt. Aber ein böses Schicksal scheint über diesem Teile meiner Bemühungen obgewaltet zu haben. Meine radackischen Lithophyten sind, mit Ausnahme der Millepora caerulea und der Tubipora Chamissonis Ehrenb., in der königlichen Sammlung entweder ohne Zettel oder gar nicht aufgestellt und mit andern Dubletten zu Gelde gemacht worden, so daß Ehrenberg in seiner Denkschrift über die Korallentiere nur von den zwei benannten Arten den interessanten Standpunkt anführen gekonnt.

Rarick begleitete mich einmal auf einer Wanderung nach meinem Badeplatze und Korallengarten. Daselbst angelangt, bedeutete ich ihm, daß ich baden wolle, und fing an, mich auszuziehen. Bei der Bewunderung, welche die Weiße unserer Haut unseren braunen Freunden einflößte, dachte ich mir, weniger zartfühlend als er, die Gelegenheit werde ihm erwünscht sein, eine sehr natürliche Neugierde zu befriedigen. Als ich aber, ins Bad zu steigen bereit, mich nach ihm umsah, war er verschwunden, und ich glaubte mich von ihm verlassen. – Ich badete mich, beobachtete, untersuchte, stieg aus dem Wasser, zog mich wieder an, durchmusterte meine Trockenanstalt und wollte eben den Heimweg einschlagen: da teilte sich das Gebüsch, und aus dem grünen Laube lächelte mir das gutmütige Gesicht meines Begleiters entgegen. Er hatte sich derweil das Haar mit den Blumen der Scaevola auf das zierlichste geschmückt und hatte auch für mich einen Blumenkranz bereitet, den er mir darreichte. Wir kehrten Arm in Arm nach seiner Wohnung zurück.

Eine gleiche schonende Schamhaftigkeit war unter den Radackern allgemein. Nie hat uns einer im Bade belauscht.


Radack

Es war verabredet, daß ich diese Nacht auf dem Lande zubringen würde, die Menschen in ihrer Häuslichkeit zu beobachten. Als wir anlangten, war schon der Kapitän in seinem Boote an das Schiff zurückgekehrt, und es erschien allen ganz natürlich, daß ich mich der Familie als Gast anschloß. Man war mit der Bereitung des Mogan, des Pandanusteiges, beschäftigt. Wir brachten den Abend unter den Kokosbäumen am Strande des innern Meeres zu. Der Mond war im ersten Viertel, es brannte kein Feuer, und ich konnte keines bekommen, meine Pfeife anzuzünden. – Es wurde gegessen und gesprochen; das Gespräch, dessen Gegenstand unsere Herrlichkeiten waren, wurde munter und in langen Sätzen geführt. Meine lieblichen Freunde beeiferten sich, den fremden Gast zu unterhalten, indem sie Lieder vortrugen, die sie selbst zur höchsten Freude begeisterten. Soll man den Rhythmus dieses Vortrages Gesang, die schönen naturgemäßen Bewegungen (im Sitzen) einen Tanz nennen? – Als die radackische Trommel verstummt war, foderte mich Rarick auf, hinwiederum ein russisches Lied vorzutragen. Ich durfte meinem Freunde diese einfache Bitte nicht verweigern und sollte nun, mit unter uns verrufener Stimme, als ein Muster europäischer Singekunst auftreten. Ich fand mich in diese Neckerei des Schicksals, stand auf und deklamierte getrost, indem ich Silbenmaß und Reim stark klingen ließ, ein deutsches Gedicht, und zwar das Goethische Lied »Lasset heut im edlen Kreis« usw. Verzeihe mir unser verewigter deutscher Altmeister – das gab der Franzos auf Radack für russischen Gesang und Tanz aus! – Sie hörten mir mit der größten Aufmerksamkeit zu, ahmten mir, als ich geendet hatte, auf das ergötzlichste nach, und ich freute mich, sie – obwohl mit entstellter Aussprache – die Worte wiederholen zu hören:

»Und im Ganzen, Vollen, Schönen 
Resolut zu leben.«

Ich schlief zu Nacht an der Seite Raricks im Hängeboden seines großen Hauses; Männer und Weiber lagen oben und unten, und öfters wechselte Gespräch mit dem Schlafe ab. Ich fuhr am Morgen an das Schiff zurück, um sogleich wieder an das Land zurückzukehren.

Ich habe einen meiner Tage auf Radack beschrieben; sie flossen sanft mit geringer Abwechselung dahin, es möge an dem gegebenen Bilde genügen. Der Zartsinn, die Zierlichkeit der Sitten, die ausnehmende Reinlichkeit dieses Volkes drückte sich in jedem geringfügigsten Zuge aus, von denen die wenigsten geeignet sind, aufgezeichnet zu werden. Läßt sich das Benehmen einer Familie erzählen, in welcher in unserm Beisein einmal ein Kind sich unanständig aufführte? die Art, wie der Delinquent entfernt wurde und wie bei der Entrüstung, die der Vorfall hervorbrachte, zugleich die Ehrerbietung für die vornehmen Fremden gerettet und das Kind zu besserer Lebensart angeleitet wurde? – Auch ist in dieser Hinsicht Verneinendes ebenso bezeichnend, und wie soll ich von dem reden, was immer unseren Augen entzogen blieb?

Es wirkt sehr natürlich unsere Volkserziehung dahin, und Volkssagen, Märchen und Lehren vereinigen sich, um uns eine große Ehrfurcht für die liebe Gottesgabe, das Brot, einzuprägen, welche hintenanzusetzen eine große Versündigung sei. Das geringste Stück Brot an die Erde zu werfen war in meiner Kindheit eine Sünde, worauf unbarmherzig, unerläßlich die Rute stand. Beim dürftigen Volke von Radack läßt sich ein ähnliches Gefühl in Hinsicht der Früchte, worauf seine Volksnahrung beruht, erwarten. Einer unserer Freunde hatte einen Kokos dem Kapitän zum Trunke gereicht; dieser warf die Schale mit dem ihr noch anklebenden eßbaren Kerne weg. – Der Radacker machte ihn ängstlich auf die verschmähete Nahrung aufmerksam. Sein Gefühl schien verletzt zu sein, und in mir selber regten sich die alten, von der Kinderfrau eingepeitschten Lehren.

Ich bemerke beiläufig, daß unsere Freunde erst in den letzten Tagen unseres Aufenthaltes auf Otdia die Wirkung unserer Waffen kennenlernten, indem der Kapitän einen Vogel im Beisein von Rarick und Lagediack schoß. Daß der Schuß sie gewaltig erschreckt, versteht sich von selbst; daß Rarick seither den Kapitän flehentlich bat, wenn er ihn mit der Flinte sah, nicht zu schießen, lag in seinem Charakter.

Das Riff trägt im Süden von Otdia außer mehreren kleineren und öden nur zwei fruchtbare und bewohnte Inseln. Die erste, Egmedio, unterscheidet sich dadurch von allen andern, daß der Kokosbaum sich nur auf ihr hoch über den Wald erhebt und nur auf ihr Wurzelstöcke ausgestorbener Bäume vorhanden sind. Sie war der Aufenthalt von dem Häuptling Langien, dessen Besuch wir auf dem »Rurik« schon empfangen, da er uns ein Geschenk von Kokosnüssen gebracht und uns eingeladen, ihn auf seiner Insel zu besuchen. Die andere Insel nimmt den südöstlichen Winkel des Riffes ein, das von da westwärts nur noch geringe, unbewohnbare Inseln trägt.

Am 28. Januar ward in zwei Booten eine Fahrt unternommen, um die von Lagediack uns angegebenen Furten zu untersuchen. Wir legten auf Egmedio an, wohin uns Langien, der sich zur Zeit auf Otdia aufhielt, vorausgeeilt war, uns als Wirt in seiner Heimat freundlich zu empfangen; und er war ein gastfreier, herzlicher Mann, dem unser Besuch eine große Freude machte. – Die Insel schien nur von ihm, seiner Frau und ein paar Menschen bewohnt zu werden. – Ich erfreute ihn mit der Anlage eines kleinen Gartens. Wir hatten am selben Tage eines der Tore, die Lagediack-Straße, untersucht; der »Rurik« hätte diese Furt nicht ohne Gefahr befahren können. Des ungünstigen Wetters wegen verzichteten wir darauf, die nächste Straße zu erreichen, und suchten ein Unterkommen für die Nacht. Dazu eigneten sich die nächsten, wüsten Inseln nicht; wir mußten bis zu der zurückgehen, die den Winkel der Gruppe einnimmt. Hier trat uns erfreulich, unerwartet ein alter Freund entgegen: der fröhliche Labigar bewillkommnete uns auf seinem Grund und Boden und brachte uns Kokosnüsse und Pandanusfrüchte dar. Hier wohnte er allein mit seiner Familie. – Wir hatten auf der Insel Otdia die ganze Bevölkerung der Gruppe kennengelernt. Ich legte auch dem gastfreien, freundlichen Mann einen kleinen Garten an (ich hatte wohl zu dieser Zeit keinen andern Samen mehr als Wassermelonen). Wir hatten unsern Bivouak am Strande aufgeschlagen – als wir uns am Morgen dem Schlaf entrangen, saßen Labigar und die Seinen um uns, still und geduldig unser Erwachen erwartend, um uns den Kokos zum Frühtrunk darzureichen.

Wir erreichten an diesem Morgen (29. Januar) das Schiff. Die andere Furt ward später, am 3. Februar, von Gleb Simonowitsch in der Barkasse rekognosziert und nach ihm die Schischmarew-Straße benannt. Zu derselben kann jedes Schiff bequem, sicher und ohne umzulegen mit dem wehenden Passat ein- und ausfahren.

Am 30. Januar ward ein Eimer mit einem eisernen Reif von unsern Leuten vermißt, die teils nach Wasser, teils nach Holz ausgeschickt waren, einem Artikel, womit wir uns hier auf die ganze Dauer unserer Fahrt nach Norden versehen mußten. Rarick ward ernstlich angehalten, das gestohlene Gut wieder herbeizuschaffen; aber bei dem Ereignis, worüber alle andern ihre Mißbilligung laut ausdrückten, ward er von einer Lässigkeit befunden, die einen Schatten über seinen Charakter warf. Erst am andern Morgen, nachdem wiederholt auf Erstattung gedrungen worden, brachte, nach einem langen Gespräch mit dem Häuptling, einer seiner Leute den Eimer aus dem Dickicht des Waldes hervor. Darauf wurde bekanntgemacht, jeder spätere Diebstahlsversuch würde unsererseits streng bestraft werden. Ich werde den einzigen Fall nicht verheimlichen, wo wir die Drohung zu verwirklichen Gelegenheit hatten.

Lagediack speiste mit uns auf dem Schiffe. Der Dieb des Eimers hatte ihn begleitet, aber ihm war der Eingang in die Kajüte verwehrt worden, und auf dem Verdecke liegend, sah er uns vom Fenster zu. Lagediack ließ ihm einiges zum Kosten zukommen, und auch ein blankes Messer ward ihm zum Besehen gereicht. Das Messer kam nicht auf unsern Tisch wieder herab, sondern fand seinen Weg in den Mudirdir des Mannes (das Männerkleid, ein mit Baststreifen schürzenartig behangener Mattengürtel). Er wurde beobachtet und, als er das Schiff zu verlassen sich anschickte, ergriffen, durchsucht, überwiesen, hingestreckt und ausgepeitscht.

Zu der Zeit waren bereits unsere Namen kurzen Liedersätzen anvertraut und der Vergessenheit entrissen; Deinnam, Chamisso und andere:

Aé ni gagit, ni mogit, 
Totian Chamisso. 
Den geschälten Kokos trinkt, Kokos ißt, 
– ? – Chamisso.

Denkmünzen, die auf uns geprägt, Denksteine, die uns gesetzt sind und welche, mögen sie ohne Inschrift sein oder Gestalt, die Träger sein werden der sich an dieselben knüpfenden mündlichen Überlieferungen und Sagen. – In der Eigil-Saga haben oft die metrischen Denksprüche, die bei denkwürdigen Ereignissen auf diese Weise gestempelt und durch Alliteration, Assonanz und Reim befestet ausgegeben werden, keine anschauliche Beziehung zu der Tat, deren Gedächtnis an dieselben gekettet wird.

Unsere Absicht, Otdia zu verlassen, um Erigup, Kaben und andere Gruppen zu besuchen, war verkündigt, und wir wünschten und erwarteten, daß uns der eine oder der andere von unsern hiesigen Freunden auf diesem Zuge begleiten würde. Rarick baute an einem neuen Schiffe, worauf er die Reise mit uns zugleich zu machen versprach; aber die Arbeit nahm kein Ende. Lagediack wollte auf dem »Rurik« mit uns fahren, ließ sich aber durch Raricks Schiffsbau davon abhalten. Rarick, Langien und Labigar wollten uns auf einem anderen Schiffe begleiten, aber auch der Plan ward aufgegeben. Wir mußten auf die vorgefaßte Hoffnung verzichten.

Wir lichteten am 7. Februar 1817 mit Tagesanbruch die Anker; unsere Freunde standen am Strande, doch keiner kam an das Schiff. Nur ein Boot kam unter Segel von Oromed uns nach. Vermutlich der Greis Laergaß. Er hatte uns noch etliche Tage zuvor besucht; er war erkenntlich für unsere Geschenke und liebevoll wie keiner; er wollte wohl den letzten Abschied von uns nehmen. Wir verloren das Boot aus dem Gesichte, als wir außerhalb der Straße die Segel vor dem günstigen Winde verdoppelten.

Schon beim Ausfahren aus Otdia ward von dem Masthaupt das Land Erigup gesehen. Wir vollendeten am 7. und 8. Februar die Aufnahme dieser ärmlichen, spärlich begrünten Gruppe, die nur von drei Menschen bewohnt sein soll. Wir sahen nicht mehrere am Strande der einzigen Insel, auf welcher sich Kokosbäume zeigten, aber nicht über den Wald erhoben.

Unter dem Winde der Gruppe ward eine Furt untersucht, die wohl nicht ohne Gefahr befahren werden konnte. Wir verließen Erigup, um Kaben aufzusuchen. Wir hatten gegen den Wind, der ausnehmend frisch wehte, anzukämpfen. Am 10. nachmittags sahen wir Kaben. Die Gruppe ist beiläufig fünfundvierzig Meilen von Otdia entfernt, und Lagediack hatte ihre Lage ziemlich richtig angegeben.

Am 11. morgens waren wir vor der Furt, die unter dem Winde der Gruppe ihrem Nordwestwinkel am nächsten gelegen ist. Der Wind war heftig. Zwei Boote kamen aus dem Tore uns entgegen und beobachteten uns von fern. Von einem Windstoß erfaßt, schlug das eine Fahrzeug um. Das andere kümmerte sich nicht um den Unfall; da sind die Schiffer sich selber genug. Wir sahen sie bald teils auf dem Kiele sitzen, teils an Leinen gespannt schwimmend das Schiff dem Lande zu bugsieren, von dem sie doch über eine halbe Meile entfernt waren. – Drei andere Boote kamen von der großen Insel im Nordwesten zu uns her und luden uns an das Land.

Das Tor ist breit, aber seicht der Kanal, in welchem wir bei der Einfahrt zwischen Korallenbänken wenden mußten. Wir führten schnell und glücklich das kühne Manöver aus. Die Durchsichtigkeit des Wassers ließ unsere Blicke in die geheimnisreichen Korallengärten des Grundes hinabreichen. – Wir warfen die Anker vor einer der geringsten und ärmsten Inseln der Gruppe.

Kaben hat ungefähr die Größe und die längliche Gestalt von Otdia, aber von Nordwesten nach Südosten kehrt sie eine ihrer längeren Seiten dem Passatwinde zu, und das Hauptland, die Insel Kaben, nimmt die Nordwestspitze der Gruppe ein. Das Riff ist auf der Windseite mit fruchtbaren Inseln reichlich gekrönt. (Herr von Kotzebue zählte deren im ganzen Umkreis vierundsechzig.) Hochstämmig erhebt sich über den mehrsten die Kokospalme; der Brotfruchtbaum ist gemein; drei Arten Arum werden angebaut, die jedoch nur einen spärlichen Ertrag gewähren können; und wir haben die erst eingeführte Bananenpflanze auf einer der Inseln angetroffen. Die Bevölkerung ist der größeren Fruchtbarkeit des Bodens angemessen. Die Menschen erschienen uns wohlhabender, selbstvertrauender, zutraulicher als auf Otdia, und durch unsere Gegenwart belebt, durchkreuzten ihre Boote, deren sie viele besaßen, zu allen Zeiten und in allen Richtungen das innere Meer, das einem verkehrreichen Hafen glich.

Wir haben auf Kaben flüchtigere Berührungen mit mehreren Menschen gehabt, und die Bilder der freundlichen Gestalten verwirren sich schon in meinem Gedächtnisse; doch leuchten aus dem Allgemeinen etliche noch besonders hervor, und das freundliche, fröhliche, lebensfrische, mutvolle Fürstenkind auf Airick ist mir unvergeßlich.

Wir fanden auf der Insel, vor der wir lagen, nur junge Kokospflanzungen und verlassene Häuser. Am 12. kamen von Osten her zwei große Boote und näherten sich uns. Wir riefen ihnen den Friedensgruß zu; sie erwiderten unsern Gruß und kamen furchtlos heran; wir warfen ihnen ein Tau zu, woran sie ihre Fahrzeuge befestigten, und ein Häuptling bestieg, von einem einzigen Mann begleitet, das Verdeck. Er suchte sogleich unsern Chef auf, reichte ihm eine Kokosnuß dar und setzte ihm seinen Blumenkranz auf das Haupt. Wir konnten uns gut mit den staunenden Menschen verständigen, und kein Mißtrauen waltete zwischen uns ob.

Herr von Kotzebue, der bereits seinen Namen an Rarick verloren hatte, bot ihn hier dem entzückten Labadini, Herrn auf Torua (einer östlicheren Insel dieser Gruppe), zum Tausche wieder an. Der Freundschaftsbund war geschlossen.

Der Häuptling übernachtete auf der nächsten Insel. Die Nacht war Sturm; wir konnten am 13. weder unter Segel gehen noch ans Land fahren.

Am 14. verließen wir unsern Ankerplatz und drangen lavierend tiefer ostwärts in das Innere der Gruppe hinein. Unser Freund folgte uns auf seinem Boote, hielt schärfer bei dem Winde als wir und segelte nicht viel langsamer. Nachmittags warfen wir vor einer kleinen, von luftigen Palmen reich beschatteten Insel die Anker; Labadini kam an Bord. Auch diese Insel, Tian geheißen, gehörte ihm; sie war aber nicht sein gewöhnlicher Aufenthalt, und er drang in uns, ihm nach Torua zu folgen, was wir am morgenden Tage zu tun versprachen. Wir fuhren gemeinschaftlich ans Land, und beim Landen trug er den Kapitän durch das Wasser.

Auf dieser Insel, vor welcher das widrige Wetter uns noch am 15. zurückhielt, freuten wir uns der behaglicheren Wohlhabenheit des anmutigen Volkes; wir wurden unter jedes Dach gastlich eingeladen, von jeder Familie freundlich empfangen. Etlichen Pflanzungen und Gruppen von Fruchtbäumen diente anstatt der Mauern eine um dieselben gezogene Schnur von Kokosbast zur Befriedigung. Wir sahen den weißen Reiher mit gelähmtem Flügel gezähmt und etliche zahme Hühner. Labadini bewirtete den Kapitän mit einem reinlich bereiteten Mahle von Fischen und gebackenen Brotfrüchten. Wir fuhren auf seinem Boote unbesorgt wie auf den unsern, und es ward uns an beiden Tagen, als wir an das Schiff zurückfuhren, eine solche Menge Kokosnüsse gebracht, daß sie für die ganze Mannschaft auf mehrere Tage ausreichten; wir ließen dagegen Eisen verteilen. – Wir haben Kokosnüsse von Kaben bis nach Unalaschka gebracht.

Wir gingen am 16. Februar wieder unter Segel, und der Kette der Insel folgend, die eine südlichere Richtung nahm, überschauten wir ihre ganze Bevölkerung, die das wunderbare Schauspiel des fremden Riesenschiffes unter Segel an den Strand herbeizog.

Aus einer größeren Insel, die, wie wir später erfuhren, Olot geheißen, stieß ein großes Boot ab, auf dem zwanzig bis dreißig Menschen sein mochten. Sie zeigten uns Kokosnüsse und schrien und winkten uns herbei. Wir segelten weiter, und das Fahrzeug folgte uns nach. Auch Labadinis Boot, das uns nachkam, erschien in der Ferne. Eine große Insel, von welcher aus die Kette ihre Richtung nach Süden nimmt, bot uns einen geschützten Hafen, wo wir die Anker fallen ließen. Es war Torua, Wohnsitz von Labadini. Das Boot aus Olot legte sich an unsere Seite, und der Herr dieser Insel, der junge Häuptling Langediu, stieg sogleich auf den »Rurik«. Er war reicher tatuiert und zierlicher geschmückt als Labadini. Er trug Herrn von Kotzebue einen Namenstausch an, den dieser, der immer das behielt, was er hingab, unbedenklich annahm. Das Verfahren war geeignet, Zwist unter den Fürsten zu erregen. Labadini, der bald eintraf, wandte sich beleidigt von uns ab, und hier, auf seiner Insel, verkehrten wir allein mit Langediu. Mit dem lebhaften, geistreichen und sittigen Jünglinge wiederholte der Kapitän seine Geographie von Radack und vervollständigte sie.

Torua, in gerader Linie vierundzwanzig Meilen von Kaben entfernt, ist doppelt so groß und verhältnismäßig weniger bevölkert als Tian. Wir wurden hier mit dem unschmackhaften Gerichte bewirtet, das die Radacker aus geraspeltem Kokosholz bereiten. – Hier oder auf Tian ward uns auch der aus der Brotfrucht bereitete Sauerteig gereicht, der aus Beschreibungen von Reisen nach O-Taheiti genugsam bekannt ist und den Europäern nicht munden will. Wir blieben drei Tage auf unserm Ankerplatz, verschafften uns viele Kokosnüsse und teilten viel Eisen aus. Der Matrose, der das Eisen verausgabte, stand bei den Eingebornen in besonderem Ansehn, und ihm wurde von allen geschmeichelt.

Wir lichteten am 19. die Anker und steuerten südwärts längs des Riffes, das hier einen grünen Kranz von sehr kleinen Inseln trägt. Nach einer Strecke von zehn Meilen ändert sich seine Richtung, und das innere Meer verlängert sich nach Südosten sackartig in einen Vorsprung, worin die Gruppe endigt. Eine größere Insel im Hintergrund dieser Bucht des innern Meeres zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, und wir richteten dahin unsern Kurs. Bevor wir sie erreicht, ward vom Masthaupt jenseits des Riffes Land im Süden entdeckt. Es war die Gruppe Aur. Wir gingen vor Airick, jener großen Insel, vor Anker.

Wir fuhren ans Land, während der Kapitän noch auf dem Schiffe beschäftigt zurückblieb. Ein Boot aus Airick hatte uns bereits vor Torua besucht. Wir wurden mit zuvorkommender Herzlichkeit empfangen; man reichte uns Kokosnüsse dar, und wir schienen alte, lang erwartete Freunde zu sein. Diese Insel ist die volkreichste und fruchtbarste von allen, die wir gesehen haben. Sie besitzt allein sechs bis sieben große Boote. Ein Jüngling oder Knabe, der noch nicht mit dem Männerschmucke der Tatuierung angetan war und dem das Volk mehr Ehrfurcht zu zollen schien, als wir anderen Häuptlingen hatten erweisen sehen, galt uns erst für den Herrn der Insel. Aber gleicher Ehren war ein junges, ebenfalls noch untatuiertes Mädchen (seine Schwester?) teilhaftig, und über beide schien ein Weib (ihre Mutter?) erhaben zu sein, welche sich in einen Nimbus der Vornehmigkeit hüllte, von dem ich auf Radack kein zweites Beispiel gesehen habe. Es ist auch der einzige Fall, wo ich ein Weib der Auctorität genießen sah. Daß die verschiedene Würde und Macht der Häuptlinge nicht allein von ihrem Reichtum und Besitzstand abhing, war anschaulich; doch habe ich mir über diese Ungleichheit keine Auskunft verschaffen können.

Der Jüngling, der sich herzig an mich anschmiegte, kam sogleich mit mir auf das Schiff; ein älterer Mann, dessen Obhut er anbefohlen zu sein schien, begleitete ihn. Freudig, freundlich, lebhaft, wißbegierig, geistreich, tapfer und voller Anstand; ich habe nicht leicht eine anmutigere Erscheinung gesehen. So gefiel er auch dem Kapitän, dem er sich gleich vorstellte. Er maß mit seinem Begleiter das Schiff aus und die Höhen der Masten; die Schnur, die dazu gedient, ward sorgfältig aufbewahrt. Ihm ein Schauspiel zu geben, holte ich meine Rapiere hervor und focht einen Gang mit Eschscholtz. Da erglühete er vor Lust; das Spiel mußte er auch spielen. Er begehrte mit sittiger Art ein Rapier, und freudig, voller Anstand, sich und mir vertrauend, stellte er sich mir entgegen und bot dem blanken, kalten Eisen des weißen Fremden seine bloße Brust. – Bedenket es – es war schön.

Wir fuhren nachmittags wieder ans Land, und der Jüngling führte den Kapitän zu der Mutter. Sie empfing schweigend den vornehmen Gast und seine Geschenke und ließ ihm dagegen zwei Rollen Mogan und Kokosnüsse reichen. Mogan, das Wertvollste, was ein Radacker geben kann, ist selbst gegen Eisen nicht zu erhandeln. Sie gingen sodann zu der Schwester, die um sich eine Schar von Mädchen hatte, von denen sie jedoch abgesondert saß. Hier herrschte Fröhlichkeit und wurde gesungen. Während dieser Besuche und überall auf der Insel bildete sich um die Fürsten und ihre hohen Gäste in weitem Umkreis ein dichter Kranz von Zuschauern.

Der »Rurik« war zu allen Stunden von Booten der Eingeborenen umringt und von Besuchern überfüllt. Die Insulaner waren hier in Überzahl, und ihre Zutraulichkeit ward lästig und beunruhigend.

Am 20. kam von Westen her ein großes Boot, worauf zweiundzwanzig Menschen gezählt wurden. Es war Labeloa, der Häuptling von Kaben, der uns hieher gefolgt war und dem Kapitän eine Rolle Mogan überreichte. Er erzählte uns, er sei es gewesen, der mit seinem Boote vor dem Eingang der Gruppe umgeschlagen sei.

Ein Kommando war nach Wasser geschickt worden: abends, als es dunkelte, schrie der Unteroffizier vom Lande her, daß ein Matrose vermißt werde. Der Kapitän ließ eine Kanone abfeuern und eine Rakete steigen. Der Mann, den die Insulaner nicht aus feindlicher Absicht zurückgehalten, fand sich wieder ein, und unser Boot ruderte heran.

Am 21. war der gestrige Schreckschuß allgemeiner Gegenstand der Nachfrage, und wir fanden unter den Leuten mehr Ehrfurcht und Zurückhaltung. Wir unsererseits blieben uns in unserm Betragen gleich. Eschscholtz bedeutete ganz gleichgültig den Forschenden, unser Kapitän sei nach oben gefahren, aber er sei schon wieder da. Wir besuchten unsere hiesigen Freunde zum letztenmal. – Der Zutritt zu der alten Fürstin ward dem Kapitän verwehrt. Wir bekamen auf dieser Insel eine Unzahl von Kokosnüssen.

Wir verließen Alrick am 21. Februar und steuerten nach Olot, der Insel von Langediu, den zu besuchen der Kapitän versprochen hatte. Labeloa, der uns nach Aur begleiten wollte, folgte uns in seinem Boote; er nahm, als er uns vor Olot anlegen sah, den Kurs nach Kaben, kam uns aber nach Aur nach.

Olot steht an Bevölkerung und Fruchtbarkeit den andern von uns gesehenen Inseln nach. Doch ward der Taro auf Olot gebaut, und wir sahen nur hier die Banane. Wie ich auf allen Inseln von Kaben, auf denen wir gelandet, bei der regsten Teilnahme der Insulaner die Wassermelone selber gesät und deren Samen den Häuptlingen ausgeteilt, also tat ich auch hier. Bei dem Geschäfte wurde mir mein Messer entwendet. Ich sprach deshalb, und nicht vergeblich, Langedius Autorität an; mein Eigentum ward mir sogleich wiedergegeben. Labadini war hier bei Langediu, und es schien das gute Vernehmen wiederhergestellt zu sein. Beide Häuptlinge wurden reichlich beschenkt.

Wir verließen am 23. Februar 1817 Olot und die Inselgruppe Kaben, aus welcher wir zu derselben Straße hinausfuhren, zu welcher wir hereingekommen waren. Wir steuerten nach Aur, in dessen Gehege wir zu einer engen Furt, geschickt zwischen Korallenbänken steuernd, mit vollen Segeln einfuhren. Die Gruppe, geringeren Umfangs, war vom innern Meere zu übersehen. Sie ist dreizehn Meilen lang, sechs breit und besteht aus zweiunddreißig Inseln. Um fünf Uhr nachmittags ließen wir vor der Hauptinsel, welche die Südostspitze der Gruppe bildet, deren Namen sie führt, die Anker fallen.

Es umringten uns sogleich mehrere Boote der Eingebornen. Wir riefen ihnen »Eidara!« zu, und sogleich stiegen die Fürsten zutraulich an Bord und mit ihnen die Fremden aus Ulea: Kadu und sein Schicksalsgefährte Edock. – Mein Freund Kadu! – Ich überlese, was ich in der Denkschrift »Über unsere Kenntnis der ersten Provinz des Großen Ozeans«, auf die ich euch verweisen muß, von diesem Manne gesagt habe, und die Erinnerung erwärmt mein Herz und befeuchtet meine Augen.


Kadu

Die Radacker entsetzten sich ob des schnell gefaßten Entschlusses Kadus, bei den weißen Männern auf dem Riesenschiffe zu bleiben. Sie ließen nichts unversucht, ihn zurückzuhalten; sein Freund Edock, tief bewegt, versuchte selbst mit Gewalt, ihn in das Boot herabzuziehen; Kadu aber, zu Tränen gerührt, erwehrte sich seiner und stieß ihn, Abschied von ihm nehmend, zurück.

Der hiesige Ankerplatz hatte Nachteile, die den Kapitän bewogen, einen besseren im Schutze der Insel Tabual zu suchen, die, acht Meilen von Aur entfernt, die Nordostspitze der Gruppe einnimmt. Diesen Entschluß hatte er den Häuptlingen angezeigt, und sie folgten uns dahin mit fünf großen Booten am 24. Februar früh. Die Bevölkerung war stärker als selbst auf Kaben und die Anzahl der großen Boote beträchtlicher.

Nach Herrn von Kotzebue waren die hohen Häupter des Volkes, mit denen wir hier verkehrten, die, Zutrauen fassend, ihn in ihren Rat zogen und ihn bestürmten, mit der Übermacht unserer Waffen einzugreifen in den waltenden Krieg, von dem sie uns die erste Kunde gaben: Tigedien, ein Mann mit schneeweißem Bart und Haupthaar und vom Alter gebeugt, der Herr der Gruppe Aur, der Schutzherr von Kadu und in Abwesenheit des Königs Lamari der erste der Fürsten; der zweite nach ihm Lebeuliet, ein Greis, der Herr der Gruppe Kaben, wo die Insel Alrick sein gewöhnlicher Wohnsitz war, der Gatte jener Fürstin, der Vater jener Kinder, die wir dort kennengelernt; der dritte, jüngste und rostigste, Tiuraur, der Herr der Gruppe Otdia, der Vater von Rarick.

Lamari war von Aur an König über den ganzen Norden von Radack. König über die drei südlichen Gruppen, Meduro, Arno und Mille, war Lathete, und zwischen beiden war Krieg. Lamari bereiste jetzt die ihm untertänigen Inseln, seine Mannen und sein Kriegsgeschwader nach Aur zu berufen, um von hier aus einen Kriegszug gegen seinen Feind zu unternehmen.

Man vergleiche meinen Aufsatz über Radack. – Ich will hier nur wiederholen, weil Herr von Kotzebue, schlecht berichtet, es anders aufgezeichnet hat, daß bei diesen Kriegen die überfallenen Inseln aller Früchte beraubt, aber die Bäume selbst nicht beschädigt werden.

Herr von Kotzebue gab dem Tigedien Waffen! – Lanzen und Enterhaken. Tigedien hatte ihm ein Geschenk von etlichen Rollen Mogan gebracht. Die Umstände und der bevorstehende Krieg mögen zu dem hohen Werte, der auf den Mogan gelegt wurde, und zu der Schwierigkeit, die wir fanden, uns welchen zu verschaffen, beigetragen haben. Dieser wohlschmeckende, süße Konfekt ist der einzige Mundvorrat, der auf längeren Reisen eingeschifft werden kann, ist der Zwieback dieser Seefahrer.

Als unsere Boote vom Lande nach dem Schiffe zurückkehrten, wurden sie mit so vielen Kokosnüssen beschwert, als sie tragen konnten.

Vor Tabual erbat sich Kadu vom Kapitän Urlaub, an das Land zu fahren, von wo er an das Schiff zurückkommen werde. Wir selber durchschweiften an diesem Tage die Insel, die reicher ist an Humus als die fruchtbarsten der Gruppe Kaben und auf der wir Taro- und Bananenpflanzungen in gedeihlichem Zustande antrafen. Wie wir von unserer Wanderung zurückkehrten, fanden wir unsern Kadu, von einem weiten Kreise von Radackern umringt, lebhaft, beseelt, tiefbewegt redend, indem alle um ihn gespannt, ergriffen, gerührt dem Vortrage zuhörten und mehrere in Tränen ausbrachen. – Kadu ward auf Radack geliebt, wie er unter uns geliebt worden ist.

Verschiedene Fahrzeuge von der Gruppe Kaben trafen ein, das eine von Alrick, andere, zwei oder drei, mit Labeloa von der Insel Kaben, und diese zwar bei sehr heftigem Winde. Von unserm Ankerplatz war vom Masthaupt das Land von Kaben zu sehen.

Ich machte auf Tabual einen letzten Versuch, die Tatuierung zu erlangen. Ich hätte damals gern das schöne Kleid mit allen den Schmerzen, die es bekanntlich kostet, erkauft. Ich brachte die Nacht in dem Hause des Häuptlinges zu, der versprochen zu haben schien, die Operation am andern Morgen vorzunehmen. Am andern Morgen wurde jedoch die Operation nicht vorgenommen, und Rechenschaft über die stillschweigende Verweigerung konnte ich erst später aus Kadus Aussagen entnehmen.

Unerachtet des zwischen dem Süden und dem Norden von Radack waltenden Krieges und des leidenschaftlichen Hasses, der oft bei Erwähnung dieser unglücklichen Verhältnisse zum Ausbruche kam, lebte unbefährdet, lieb gehegt und geehrt ein Häuptling von Arno auf Tabual.

Am 26. gingen wir zum letzten Male ans Land auf Tabual und nahmen Abschied von unsern Freunden. Die Nacht über erschollen die radacksche Trommel und das Lied unter den Palmen am Strande des innern Meeres.

Am 27. Februar 1817 liefen wir am frühen Morgen aus dem Meerbecken von Aur zu ebendem Tore hinaus, zu dem wir eingefahren waren. Wir steuerten nach Norden, den Tag über unter dem Winde von Kaben, am 28. über dem Winde von Otdia, und hatten noch vor Nacht Kenntnis von der Gruppe Eilu, die uns über dem Winde lag. Kadu erkannte die Gruppe. Er war bereits auf derselben und ebenfalls auch auf Udirick gewesen, und wohlbewandert in der Geographie von Radack, gab er uns die Richtungen an, in welchen Temo und Ligiep lagen.

Wir waren am Morgen des 1. März 1817 bei der Südspitze von Eilu, welche von der Insel gleiches Namens gebildet wird. Wir folgten der Süd- und Ostseite des Umkreises, wo das Riff von Land entblößt ist, und suchten einen Durchbruch desselben zur Einfahrt. Drei Boote kamen uns in das offene Meer entgegen, und unser Genosse Kadu pflog ein lebhaftes Gespräch mit seinen staunenden alten Bekannten. Diese wiesen uns mehr im Norden die breiteren Tore ihres Riffwalles. Von dreien schien das eine nur fahrbar für den »Rurik« zu sein. Der Abend dunkelte schon.

Am 2. März suchten wir das Tor wieder auf, von welchem uns der Strom westwärts entführt hatte. Der Wind blies uns aus dem engen Kanal entgegen, und da hineinzudringen schien kaum möglich zu sein. Der Leutnant Schischmarew untersuchte das Fahrwasser. Zwischen zwei senkrechten Mauern hatte die Straße fünfzig Faden Breite und eine hinreichende Tiefe. Das Schiff mußte in der Straße gewendet und gleichzeitig von dem stark einsetzenden Strom hineingeführt werden; gehorchte es nur träge dem Steuerruder, so galt es, an der Korallenwand zerschellt zu werden. Schnell ward und glücklich das kühne Manöver ausgeführt; es war ein schöner Moment. Alle Segel waren dem Winde ausgespannt; tiefes Schweigen herrschte auf dem »Rurik«, wo dem Kommandoworte gelauscht wurde; zu beiden Seiten brauste die Brandung. Das Wort erschallt, und wir sind im innern Meer. In der Furt selbst hatte sich eine Bonite an der Angel gefangen; so hatten wir Torzoll genommen.

Die Gruppe Eilu ist von Nord in Süd fünfzehn Meilen lang und nur fünf Meilen breit. Alles Land ist auf der Windseite; es ist spärlich begrünt, die Kokospalme erhebt sich nur auf Eilu im Süden und auf Kapeniur im Norden über den Wald. Das innere Meer ist seicht und mit Korallenbänken und Untiefen angefüllt, welche uns Gefahr drohten. Wir gingen gegen Mittag in der Nähe von Eilu vor Anker.

Drei Boote umringten uns alsobald, und Kadu hatte für sich und für uns genug zu reden. Lamari, den wir hier zu treffen hofften, war bereits auf Udirick, und der Häuptling von Eilu, Langemui, wohnte auf Kapeniur. Kadu fuhr mit den Radackern ans Land, wohin wir ihm später folgten. Wir haben hier den Pandanus noch ganz grün essen sehen, und die Brotfrucht fehlte ganz. Ein paar Pflanzen von der einen der auf Kaben angebauten drei Taro-Arten bezeugten den Fleiß der Menschen und die Unwilligkeit der Natur. Die guten, dürftigen Leute beschenkten uns mit einer Menge Kokosnüssen, woran wir vielleicht reicher waren als sie. Sie erwarteten dafür keinen Lohn. Wir teilten Eisen aus, und ich säete Kerne der Wassermelone, wie ich es überall auf den anderen Gruppen getan hatte.

Wir gingen am 4. mit Tagesanbruch unter Segel und kamen nach einer beschwerlichen Fahrt erst spät vor Kapeniur, wo wir die Anker fallen ließen. Wir lagen sicher und bequem in der Nähe des Landes, das uns vor dem Winde schirmte; und es wurde beschlossen, etliche Tage hier zu verweilen, um Segel und Tauwerk für die uns bevorstehende Nordfahrt instand zu setzen.

Uns besuchte zuerst am Bord Langemui und brachte dem Kapitän etliche Kokosnüsse dar. Er war ein hochbejahrter, hagerer Greis von heiterem, lebendigem Geiste, wie überhaupt auf diesen Inseln das Alter ein jugendliches Gemüt behält. Er mochte nach unserer mutmaßlichen, unzuverlässigen Schätzung achtzig Jahre alt sein. An seinem Körper trug er etliche Narben. Diese, als er nach denselben befragt wurde, veranlaßten ihn, uns die erste Kunde von Ralick zu geben, der westlicher gelegenen Inselkette, deren Geographie jedem Weibe, jedem Kinde auf Radack geläufig ist. Es ist mit den Menschen wie mit der Natur: was man schon weiß, kann man sich leicht zu allen Stunden wiederholen lassen; aber an den Tag zu fördern, was man nicht weiß, dazu gehört Geschick, dazu gehört Glück. Nach Langemui, der auf Ralick seine Wunden erhalten hatte, entwarf Herr von Kotzebue die Karte dieser Inseln, die man in seiner »Reise« nachsehen muß. Bei Udirick hatte er einen zweiten Punkt, von dem aus er sich die Richtung der nördlichen Gruppen angeben ließ, und er hatte im Spätherbst auf Otdia Gelegenheit, seine Arbeit zu prüfen und zu berichtigen. Ich habe in meinen »Bemerkungen« Kadus Aussagen über Ralick aufgenommen. Nach ihm war Sauraur, den wir auf Aur gekannt, später als Langemui auf Ralick gewesen und hatte daselbst den Namen, den er jetzt führt, ertauscht und Freundschaft mit den Eingebornen gestiftet. – Ralick gehört zu derselben Welt der Gesittung als Radack und schien zur Zeit wie Radack in zwei einander feindliche Reiche geteilt zu sein.

Auf Eilu war ein junger Häuptling von Mesid, der auf einem kleinen Fischerboote, durch Sturm von seiner Insel verschlagen, hier angelangt war. Er gedachte sich zu der Rückreise an Lamari anzuschließen, der auch nach Mesid fahren wollte, um Verstärkung von dort zu holen. Unsere Seefahrer halten es für kühn, ohne Kompaß, gegen Wind und Strom anringend, einen Landpunkt, der nicht über sechs Meilen sichtbar ist, in einer Entfernung von sechsundfünfzig Meilen aufzusuchen; eine Reise, auf welcher die Radacker wohl zwei Tage und eine Nacht zubringen müssen. Sie würden sich nicht getrauen, das Wagestück zu unternehmen. Wir erfuhren im Spätjahr, daß Lamari dieses Mal Mesid verfehlt und, auf die Hülfe, die er von dieser Insel erwartete, verzichtend, sich zu den übrigen Gruppen Radacks gewendet habe.

Auf Kapeniur war ein anderer Häuptling, welcher, anscheinlich um vieles älter als Langemui, gleich regen und heitern Geistes war.

Der Wind drehte sich am 7. Februar über Norden nach Westen, und ein anhaltender Regen unterbrach die Arbeiten auf dem »Rurik«. Der 9. und 10. waren gleich regnichte Tage. Am 11. ward das begonnene Werk schnell vollendet. Wir waren segelfertig.

Von den Wassermelonen, die ich auf Kapeniur gesäet hatte, waren trotz der Verwüstung, welche die Ratten angerichtet, mehrere Pflanzen im erfreulichsten Wuchs, und deren Fortgang schien gesichert.

Ich habe, um nur von dieser einen Pflanzenart zu reden, eine unerhörte Menge von Wassermelonenkernen auf den Riffen von Radack an geeigneten Stellen sorgfältig der Erde anvertraut. Der ganze Samenertrag aller Wassermelonen, die in Kalifornien und auf den Sandwich-Inseln auf dem »Rurik« verzehrt worden, ist, entweder von mir ausgesäet oder den Händen betriebsamer Eingeborenen anvertraut, auf Radack geblieben. Ich habe bei unserm zweiten Besuch auf Radack eine zweite Aussaat auf Otdia besorgt und einen anderen beträchtlichen Samenvorrat der liebenden Sorgsamkeit von Kadu überlassen. Nach Herrn von Kotzebues letzter Reise und letztem Besuch auf Otdia im Jahr 1824 scheint doch diese willigste der Pflanzen, die, wo nur eine milde Sonne nicht fehlt, den Europäern gefolgt ist, sich auf Radack nicht erhalten zu haben. Wahrlich, es ist leichter, Böses zu tun als Gutes!

Im Innern der Gruppe Eilu wurden vom Schiffe an verschiedenen Tagen zwei Haifische geangelt. Man berichtete mir von dem einen, er habe drei lebendige Junge im Leibe gehabt, jedes drei Spannen lang; zwei in einem Ei, das dritte allein. – Man wird sonst in den Becken, welche Korallenriffe umhegen, von Haifischen nicht befährdet.

Das Wasser dieser Binnenmeere war wenig leuchtend.

Als der gute Langemui unsere Absicht erfuhr, Eilu am andern Tage zu verlassen, ward er betrübt. Wir sahen in der Nacht Lichter längs dem Riffe sich bewegen; am frühsten Morgen kam unser Freund an das Schiff und brachte uns ein letztes Geschenk: Fliegende Fische, die er beim Feuerscheine hatte fangen lassen, und Kokosnüsse.

Wir verließen Eilu den 12. März 1817. Der Wind, der uns zum Auslaufen günstig war, erlaubte uns, zu einem nördlicher gelegenen, engeren Tore hinauszufahren; ein Haifisch ward in der Furt selbst gefangen. Wir hatten um drei Uhr nachmittags Ansicht von Udirick und Tegi, welche, wie wir es bereits mit Zuversicht erkannt hatten, die im vorigen Jahre von uns gesehenen Gruppen waren. Die anbrechende Nacht zwang uns, die Nähe des Landes zu vermeiden. – Wir fanden uns am Morgen des 13. acht Meilen westwärts getrieben. Wir erreichten bald den Kanal, welcher beide Gruppen trennt, fuhren hindurch und befanden uns vor Mittag in ruhigem Wasser unter dem Winde von Udirick. Kein Tor im Riffgehege war dem »Rurik« zum Eingang in das Innere der Gruppe gerecht. Lamari mußte hier sein, und es lag uns daran, den gewaltigen Machthaber dieses neptunischen Reiches kennenzulernen, der, von seiner Wiege, der Gruppe Arno, ausgehend, den Norden von Radack kraft des Faustrechtes unter seine Alleinherrschaft vereinigst hatte.

Mehrere Segel ließen sich blicken und kamen, das Riff durchkreuzend, in das freie Meer heraus. Zwei Boote nahten sich zuerst dem »Rurik«; die darauf fuhren, erkannten alsbald unsern Freund und riefen ihn laut beim Namen mit vorgesetzter Vorschlagsilbe: »La Kadu [Fußnote]!« Alle Scheu war bezwungen; sie kamen heran, sie stiegen auf das Verdeck. Unter diesen Männern befand sich der Schicksalsgefährte Kadus, dessen ich in meinen »Bemerkungen und Ansichten« erwähnt habe, der greise Häuptling aus Eap, der sogleich den Vorsatz faßte, bei uns zu bleiben, und fast nur mit Gewalt davon abzubringen war. Kadu trug zu diesem Manne, der ihn doch vom »Rurik« verdrängen wollte, ein sanft Erbarmen und beschäftigte sich noch später mit dem Gedanken, Nachricht von ihm und seinem jetzigen Aufenthalte nach Eap gelangen zu lassen.

Ich stieg mit Kadu auf eines der Boote der Eingeborenen, in der Absicht, auf der Insel zu landen. Bald nachdem wir vom Schiffe abgestoßen, langte bei demselben Lamari auf einem andern Boote an und stieg sogleich auf das Verdeck. Ein stattlicher, dicker Herr mit einem schwarzen, langen Barte und mit einem größeren und einem kleineren Auge. Von seinen Genossen sollen keine äußerlichen Unterwürfigkeitsbezeugungen gegen ihn stattgefunden haben.

Wir indes lavierten vor dem Riffe, über welches bei hohem Wasser zu fahren sich auch diese Boote nicht zu getrauen scheinen. Wir nahten uns endlich der Insel, zu welcher zwei Mann durch die Brandung hinüberschwammen. Hier kam uns Lamari nach und unterhielt sich mit uns. Ich sah von allen Booten nur ein einziges zu dieser Stunde von dem freien Meer in das innere Becken hineindringen, da doch alle leicht hinausgesegelt waren. Dasjenige, worauf ich stand, war neu repariert; es trug vierzehn Menschen, ohne zu den größten gerechnet werden zu können. Wir kehrten mit etlichen Kokosnüssen an das Schiff zurück. Es war Nachmittag. Kadu, dem noch einmal ernst vorgestellt wurde, daß wir jetzt Radack verließen, um nicht wieder dahin zurückzukehren, beharrte unerschütterlich bei seinem Entschlusse. Er verteilte seine letzte Habe unter seine Gastfreunde. Wir warteten nicht auf das, was uns diese Insulaner noch an Früchten versprachen. Wir nahmen unsern Kurs nach Bigar.

Das unbewohnte Riff Bigar, das nach der Aussage der Radacker im Nordosten von Udirick liegt und von ihren Seefahrern von dieser Gruppe aus des Vogel- und Schildkrötenfanges wegen besucht wird, war für uns unerreichbar. Wir kämpften zwei Tage lang gegen den Wind an; die im Norden von Radack ausnehmend starke westliche Strömung des Meeres brachte uns am 14. März sechsundzwanzig Meilen, am 15. zwanzig Meilen von unserer Rechnung nach Westen zurück; wir verloren gegen den Wind, anstatt zu gewinnen, und gaben, von diesen Seefahrern, die wir »Wilde« nennen, in unserer eigenen Kunst überwunden, das fernere Aufsuchen von Bigar auf.

Man könnte auf die Vermutung kommen, die Radacker hätten uns die Richtung, in welcher sie steuern, um nach Bigar zu gelangen, als diejenige angegeben, in welcher dieses Riff wirklich liegt, und dasselbe habe uns im Westen gelegen, als wir es noch im Osten gesucht. Da müßten hinwiederum dieselben Geographen von Bigar aus der Gruppe Udirick eine um soviel östlichere Lage anweisen. Auf jeden Fall setzt die Reise hinüber und herüber eine hinreichende Kenntnis der Strömung und eine zuverlässige Schätzung ihrer Wirkung voraus.

Wir nahmen unsern Kurs nach den von Kapitän Johnston auf der Fregatte »Cornwallis« im Jahre 1807 gesehenen Inseln. Häufige Seevögel, deren Flug Kadu am Abend beobachtete, schienen uns dahin zu leiten. Wir sahen diese Inseln am 19. März 1817. Die sichelförmige, öde Gruppe hat von Nord in Süd eine Länge von dreizehneinhalb Meilen. Herr von Kotzebue setzt auf seiner Karte die Mitte derselben in 14°40' nördlicher Breite, 190°57' westlicher Länge. Der Leutnant Schischmarew, auf einem Boote ausgesandt, fand kein Tor in dem wallartigen, nackten Riffe, das sie unter dem Winde begrenzt.

Ein Haifisch von außerordentlicher Größe biß indessen an der Angel. Angeregt durch die Hoffnung, uns die ansehnliche Beute zu sichern, zog sich Kadu aus, bereit, hülfebringend in die See zu springen. Das Untier riß sich mit der Angel los und entkam uns.

Wir setzten unsere Fahrt nach Norden fort.

 

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