Ein Ungar im neuseeländischen Exil
© Willi Schnitzler
Ich sah weder die eine noch die andere Insel, wartete eine Weile, in einer alten Zeitung blätternd, die im Rinnstein gelegen hatte, an einer breiten, kaum befahrenen Straße am Ortsausgang von Whakatane, bevor ein Exilungar und sein altes Auto mich einluden, mitzukommen.
Beim Zuschlagen der Autotür verdrückten sich zwei schwarze Katzen durch ein Loch im Lattenzaun. Ehe wir losfuhren, nahm der Mann seine Brille von der Nase, wischte sie ab und setzte sie wieder auf. Ohne Hilfsmittel war er blind wie eine Wand, kein Wunder, dass er schon jetzt gefährlich dicht am Lenkrad saß. Was für ein merkwürdiger Mensch er war! Ein unsorgfältig gekleideter Mann mit grauem Haar, die mächtigen Koteletten wie Brikettstücke hochkant an den langen Ohren angelehnt. Sein Haarschnitt stammte von einem Friseur, der offensichtlich noch nicht lange dabei war, sich das Saufen abzugewöhnen; lange Strähnen klebten wie Gummihandschuhe an seinem Kopf.
Die Geschichte der beiden Berge
© Willi Schnitzler
Das lange Stück nach Whakatane fand ich Platz auf der Rückbank des nagelneuen Autos eines Maoripärchens. Der Mann war ein bulliger Kerl mit einem akkurat gestutzten Schnurrbart, schwarz wie stark gebrühter Kaffee, und kräftigen Armen, deren Muskeln in jeder Kurve unter dem weißen T-Shirt ihre Elastizität lobten. Er mochte dreißig Jahre alt sein, genau wie seine Frau, die mit drahtigen Haaren schweigsam wie eine Malermuschel neben ihm saß. Ein feines Amulett funkelte an ihrem Hals, ein marakihau. Schnell begriff ich, wie stolz beide auf ihren roten Wagen waren, der innen funkelte wie frisch poliertes Tafelsilber und für kurze Zeit in seltsamer Manier auf meinem Gewissen lag. Muss man erwähnen, dass eine breite Wolldecke die Schonbezüge der Sitzpolster im hinteren Teil des Schmuckstücks wie Augäpfel hütete, dort, wo ich Platz genommen hatte? Ihre Gesichter drückten eine unbestimmte innere Unruhe aus, aber auch Neugierde, denn sie wollten wissen, warum ich den weiten Weg gemacht habe.
Im Gebiet der Gletscher
© Willi Schnitzler
Je näher ich dem Fox Glacier kam, um so mehr verschwand die Sonne hinter düsteren Gardinen. Feuchte Winde zogen über die Tasmanische See, der Regen stand vor mir wie eine Wand, sodass ich die Einfahrt um ein Haar verpasst hätte. Eine holprige Straße führte, sich windend wie ein Hirn, hinauf zur eisigen Zunge des Gletschers. Fetter undurchdringlicher Wald verdunkelte stark das Tageslicht, Blätter und Äste und Tiere schienen auf den nahen Regen zu warten. Eine unnatürliche Stille schwebte über den hohen Wipfeln und ließ mich an meinen letzten Theaterbesuch denken. Nachdem ich das Auto auf dem Parkplatz abgestellte hatte, stampfte ich in Richtung Gletscherzunge. Nach einer Weile endete abrupt der Buschwald, gab die Sicht frei auf eine graue, zwischen steil aufsteigenden Bergen liegende Geröll-Lawine und ich hörte meinen Geografielehrer intonieren: eine Moräne ist der Gesteinsschutt, den die Gletscher transportieren. Firngrat, Wechte, Schneerinne, Bergschrund, Kreuzspalte, Querspalte, Gletscherbruch. Gletscherbrücke, Tisch, Mühle, Tor, Milch. Seitenmoräne, Mittelmoräne, Grundmoräne. Die ganze steinige Chose wurde an der Gletscherzunge zur Endmoräne zusammengeschoben.
Bei den Stokes - ein paar Tage auf einer Farm in Neuseeland
© Willi Schnitzler
Gegen Abend wirkte der Ort wie ausgestorben: eine breite Straße, ein paar Autos, ein paar Häuser, eine Kirchturmspitze, mehr nicht. Müde stampfte ich in Richtung auf den Ortsausgang Opotikis, der gottverlassen zwischen nichts und nirgendwo vor einer Lagerhalle endete. Dort standen zwei dicke Hühner, als hätten sich die Weather Girls in Federvieh verwandelt, und pickten in der Gegend herum, darauf wartend, dass es Hähne regnete. Keine zehn Schritte entfernt lungerten drei kleine bucklige Kreaturen, wekas, mit Händen in den Hosentaschen und sprachen miteinander. Was für eine Welt. Ein Falke verschwand hinter hohen Bäumen, hielt seine Beute energisch in den Fängen.
Allein auf weiter Flur
© Willi Schnitzler
Eine längst wache vollbusige Sonne sah mich kurz vor Mittag Wanaka verlassen. An australischen Gummibäumen vorbei führte die Straße Richtung Norden dem Haast Pass entgegen; ich wollte an die Westküste. Meine kleinen Augen jubilierten, als sie eine Sonnenbrille vor die Nase gesetzt bekamen, und der Strom des Blutes frohlockte, als er allmählich seine gewohnte Geschwindigkeit zurückbekam. Der raue Haast Pass, nach seinem Entdecker benannt, verband das Land im Westen der Südinsel mit den Southern Lakes von Central Otago. Die Landschaft wurde kontrastreicher und verlor ihren herbstlichen Lidstrich, trockengelbe Hügellandschaft eingetauscht gegen üppige, vom Regen verwöhnte Vegetation.
Wohin soll ich fahren, dachte ich und entschied mich kurzfristig gegen den direkten Weg zu den beiden Gletschern der Southern Alps und für den lächerlichen Umweg zur Jackson Bay in die genau entgegengesetzte Richtung.
Roadtrack to nowhere.