Bei den Stokes - ein paar Tage auf einer Farm in Neuseeland

© Willi Schnitzler    

Bei den StokesGegen Abend wirkte der Ort wie ausgestorben: eine breite Straße, ein paar Autos, ein paar Häuser, eine Kirchturmspitze, mehr nicht. Müde stampfte ich in Richtung auf den Ortsausgang Opotikis, der gottverlassen zwischen nichts und nirgendwo vor einer Lagerhalle endete. Dort standen zwei dicke Hühner, als hätten sich die Weather Girls in Federvieh verwandelt, und pickten in der Gegend herum, darauf wartend, dass es Hähne regnete. Keine zehn Schritte entfernt lungerten drei kleine bucklige Kreaturen, wekas, mit Händen in den Hosentaschen und sprachen miteinander. Was für eine Welt. Ein Falke verschwand hinter hohen Bäumen, hielt seine Beute energisch in den Fängen.

Ich hatte die Hoffnung für diesen Tag beinahe aufgegeben und wollte gerade umkehren, als mir der Himmel einen zitronengelben Pick-up schickte, der einen Anhänger mit scheppernden Eisenteilen zog. Sein Fahrer trug eine helle Kordhose und ein rotschwarzkariertes Baumwollhemd, dessen oberer Knopf seine üppige Brustbehaarung kaum in den Griff bekam. Eine knappe Geste aus seinem ausgezehrten Gesicht hieß mich einsteigen und wenig später quälte sich das Auto die Hügel hinauf. Auf dem Kopf trug der Mann einen alten vergammelten Schlapphut von ehemals beiger Farbe. Seine weit in die Stirn fallenden, leicht angegrauten Haare verdeckten ein von harter Arbeit gezeichnetes Gesicht. Das Gesicht verriet, was er in sich trug: Gutmütigkeit, Bescheidenheit, Freundlichkeit. Schattenriss der Seele. Er wirkte dünn und sehnig in seinen mittleren Jahren, echt sein Lachen. Der Mann hatte schlechte Zähne und eine ruhige Stimme, die gelegentlich gegen die laute aufbrausende Stimme des Motors ankämpfen musste, wenn dieser einen Hügel erklomm. Er hatte Hände, die einem weit älteren gehören könnten. Das war David Stokes, ein Mann, zum Arbeiten geschaffen.

Noch bevor wir tiefer in die Berge gelangten, hielt er nach kurzer Fahrt mitten auf der Straße an, deutete unbestimmt auf den grün bewachsenen Straßenrand und gab mir zu verstehen, dass er an dieser Stelle, die der Zufall ihm vor Jahren in die Hand gegeben hatte, immer mit seinen Kindern anhalten würde. Ich wäre hier nicht einmal stehen geblieben, um zu pinkeln, doch hinter einem Vorhang von Blättern versteckte sich, wie von Geisterhand geschaffen, ein schmaler Wasserfall, der auf seinem Weg kleine grüne Farne speiste. Der letzte Rest des spärlichen Tageslichts zwängte seine Schultern durch das Buschwerk und funkelte die herunterpurzelnden Tropfen an, die, so klein sie auch sein mochten, für kurze Zeit ganz für sich allein ihr Leben genießen konnten, ehe sie der Erdboden wieder in die große Familie aufnahm. David formte die Hände zu einer Mulde und erfrischte sich. Danach machte er sich im Auto an seiner Ledertasche zu schaffen und brachte Äpfel, Tassen und eine mit heißem Wasser gefüllte Thermosflasche zum Vorschein, Badewasser für zwei Pfefferminz-Teebeutel. Dieser Pakeha war ein Mann der Ruhe; jemand, der endlose Zeit damit verbringen konnte, den Mond wandern zu sehen. Diese Gabe bestimmte sein Tun und schien auf magische Weise anzustecken. Wir hätten allein auf der Welt sein können, dort in den Hügeln, im Wald, nur gelegentlich peitschte eine Böe die Bäume, die wie Schattengeister mit dem wenigen Licht spielten. Der noch trockene Boden, den wir kurzerhand als Tischtuch ausgewählt hatten, freute sich bereits auf den auf flinken Füßen herbeieilenden Regen.

Nach dem Tee führte unsere Fahrt durch eine saftige, Gras und Klee bewachsene, schottische oder irische Hügellandschaft, eine Explosion in Grün, ein Paradies für Kühe und Schafe. Wird Klee nicht Kuckucksbrot genannt? Wo waren sie? Nur vereinzelt standen Bäume herum – elektrische Eisenbahnkindheitserinnerungen eines Jungen, der sich ab und zu aus dem erwachsenen Körper befreite.

Der Tag verdunkelte sich nicht nur wegen des herannahenden Abends rasch, nein, auch dicke Regenwolken hingen drohend am dunklen, zum Greifen nahen Himmel. Doch der Regen war wie die Dusche in dem schäbigen Hostal in Barcelona, als ich mich eine Viertelstunde abmühte, nass zu werden. Irgendwo vor uns regnete es heftiger, denn plötzlich bemerkten wir einen Regenbogen, der direkt aus einem giftgrünen, in weiter Ferne kauernden Wohnhaus herauszustoßen schien, dahinter nahm man sein schwächeres Abziehbild wahr. Das Wetter vor unseren Augen wanderte im Kreis und ich erinnerte mich, dass mein Großvater immer behauptete: Ein Regenbogen am Abend lässt auf gutes Wetter hoffen. Doch in diesem Fall sollte sich der alte Herr irren.
Es dämmerte bereits, als David vor der Kneipe einer kleinen Ortschaft den Wagen anhielt; das Scheinwerferlicht erstarb, der Motor schwieg. Solche Orte wird man eines Tages ganz vergessen haben; sie stehen auf irgendeiner Abschussliste.

„Sei vorsichtig da drinnen!“, mahnte er. „Man weiß nie, was passiert.“
Sogleich war mir mulmig zu Mute, wenn ich auch nicht genau wusste, warum. Hinter der Tür waren aufgebrachte Gespräche zu hören, das Rücken von Stühlen, Schritte, das Klicken aneinanderstoßender Kugeln, der laute Ruf nach einer Münze für den Spielautomaten; keine Musik. Unmittelbar als wir eintraten, sahen wir in die Gesichter der Einheimischen, Gespräche verstummten und ihre Nacktheit verbarg sich hinter einem monoton tropfenden Wasserhahn und der rauchgeschwängerten Luft. Ich sah, dass ihre Gesichter müde und missmutig waren, geschwollen, hässlich und hart, die Nasen breit und flach. Blicke aus einem schwarzen Film entlehnt, Stille wie im Museum. Abwartend, mindestens ein Auge auf uns gerichtet, Bierkrug oder Queue in den Händen. Mich machte diese stumme Feindseligkeit nervös. Von draußen drang sanft das Heulen des Windes herein, schien unendlich weit weg zu sein. Zwei nach oben gerichtete, ölverschmutzte Finger bestellten das Bier, ein kurioses Victory-Zeichen und noch immer Stille. Erst das Aufsetzen der beiden, mit einer Hand gereichten Gläser durchbrach die Mauer des Schweigens. Der Barmann fuhr automatisch mit einem feuchten Tuch über die verspritzten Tropfen, flüchtig und schnell, motorisch. Wir setzten den hellen bitteren Schaum an den Mund und ich entkrampfte erst, als hinter meinem Rücken wieder Billardkugeln gegeneinander stießen. Der Mann hinter der Theke zapfte neues Bier, griff über den Kopf nach einer Flasche Gin, kickte mit der Hacke eine Schublade zu: Zeugnis souveräner Bewegungsabläufe. Die Gespräche wurden wieder aufgenommen, Vokale verschluckt, man stenographierte beim Sprechen. Rechts von uns redete ein Maori in zerrissener Jacke unzusammenhängend auf den Barmann ein, verstreute seine Spucke über die Theke und wischte mit behaartem Handrücken den Schaum von den Lippen; wortlos in die Höhe gehaltene Gläser wurden schnell gefüllt.

„Auf die Gesundheit!“, sagte der Neuseeländer, zwinkerte mir zu und setzte das schwere Glas an den Mund.

„Auf die Gesundheit!“
Die Billardkugeln auf dem großen Tisch folgten merkwürdigen Kurven, als gehorchten sie kurzzeitig anderen Gesetzen. Die lange Theke erinnerte an eine bessere, weit zurückliegende Epoche. Die gesamte Kneipe, deren Wände mit mir größtenteils unbekannten Werkzeugen ausgestaltet waren, konnte für sich beinahe Museumswert reklamieren, mit Bildern aus wiederum besserer Zeit. Es schien, als bewege sich die Last der Jahre hier nicht mit derselben Geschwindigkeit wie anderswo, vielleicht lag es auch nur an der bleiernen Dunkelheit, die den Raum einfing, an diesem alten Geruch, so als hätten sich die schlechten Tage von Jahren nicht entscheiden können, wieder zu gehen, als kämpften sie ein sinnloses Scharmützel gegen Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen. Doch der vermeintliche Fortschritt und die veränderte Konjunktur hatten in dieser Gegend, einem kleinen Hinterzimmer Neuseelands zwar nur, tiefe Spuren hinterlassen. Arbeit gab es in dem kleinen Ort längst keine mehr. Die Menschen zogen von hier fort, es gab nichts mehr zu verdienen, und diejenigen, die blieben, wussten nicht, wohin sie gehen sollten. Da konnte man nur dasitzen, rauchen, saufen, Billard spielen, streiten – irgendwas, um sich vom Leben abzulenken.
Ein junger Maori, dessen Gesicht von einer bösartigen Akne entstellt war, kam auf uns zu, entblößte in einem wahnsinnigen Grienen seine Zähne, tippte auf meinen grünen Sweater und gab mir mit wilden Gesten, die der Alkohol geboren hatte, zu verstehen, dass ihm dieses Kleidungsstück gefiel. Er sagte irgendetwas, was ich nicht verstand, laut mit den Zähnen knirschend. Seine Unterlippe bebte. Seine Augen blickten starr. Verhaltene Aggressivität hing in der Luft, Gewalttätigkeit, Fieber. Doch David drängte den ungepflegten Mann einfach beiseite, ohne ihn anzusehen, und fast gleichzeitig schleuderte er fünf Neuseelanddollar auf die Theke und leerte zügig sein Glas.
Alles war in Ordnung.

„Na dann, auf geht’s!“, sagte David und suchte die Tür.

Ich schob das Bierglas von mir und wir verließen die Kneipe mit wortlosem Gruß. Störenfriede in einer Welt ohne Zugang waren wir und schämten uns fast dafür, als uns draußen der Wind traf. Die Bar teilte das breite Holzgebäude mit einem heruntergekommenen Hotel, ohne dass sich in langen Jahren eine Hand gerührt hätte, mittels Farbe etwas nachzuhelfen. Namen verwittert, unleserlich, gebleicht. Traurige Sedimente der Zeit. Das Grün der Moose schimmerte aus den Ritzen, während das Eingangsschild im Wind krähte, der zwar die Wolken trieb, aber nicht den Mond. Zwischen den Wolken funkelte es; jedes Mal suchte man ein Stück Ewigkeit beim Betrachten der Sterne und man fühlte sich ihnen hier ein kleines Stück näher.
„Kakariki“, erzählte David, als wir wieder im Auto saßen, „war ein kleiner Papagei mit grünen Federn, aber wenn er seine Federn zum Fliegen ausbreitete, loderte unter dem Grün ein strahlendes Rot.
Eines Tages saß Kakariki gemeinsam mit einem großen starken Papagei namens Kaka im Wald. Kaka hatte braune Federn und die Nase voll von seinem glanzlosen Gefieder. Er war neidisch auf Kakarikis Federkleid und so beschloss er, ihm um den Mund zu gehen. Da er wusste, dass Kakariki ihn mochte, überlegte er, es müsse ein Leichtes sein, ihn zu überreden, ein paar seiner roten Federn auszuleihen.
‘Kakariki,’ sagte er, ‘siehst du nicht diese schönen Federn, die du hast, diese wunderschönen roten Federn? Warum leihst du sie mir nicht für eine Weile? Ich würde sie gerne tragen, um einmal so schön zu sein wie du, und ich würde sie auch nicht lange behalten!’
Kakariki war gutgläubig und großzügig und dachte bei sich: ‘Ja, ich kann sie mit Kaka teilen. Ich sehe keinen Grund, warum nicht!’
Also zog er all seine roten Federn aus und reichte sie Kaka. Doch Kaka schnappte sie sich und verschwand, als er die Federn sicher in seinen Klauen hielt, Hals über Kopf im tiefen Dickicht. Und noch ehe Kakariki suchend und schreiend hinter ihm her gerannt kam, bewunderte Kaka schon tänzelnd seine leuchtend neuen Federn.
Und so ist es jetzt Kaka, der die wunderschönen roten Federn besitzt, die beim Flug in der Sonne schimmern, und Kakariki ist einfach ein trauriger grüner Papagei.“

Die wenigen Orte, durch die wir fuhren, hießen Waioeka, Oponae, Matawai, Whakarau, Otoko, Te Karaka, Puha und Ormond, eine wahre Götterspeise für die Ohren, aber baba ghanoug für die Zunge. Regen fiel kaum merklich, befeuchtete das Licht. Die schwachen Scheinwerfer bohrten sich durch die Finsternis und rangen der Nacht Meter um Meter ab, während David, die großen schwieligen Hände ruhig um das Lenkrad gelegt, von der Familie erzählte. Luzie, seine Frau, lernte er auf einer dreijährigen Odyssee durch die Welt kennen, als sie noch in der Schweiz lebte. Das winzige Alpenland hatte für herumirrende Gedanken ihrer Art wenig Platz, sie waren so beschaffen, dass sie weder Himmel noch Erde berührten. Also ging sie mit ihm in die Fremde. Nach Neuseeland zurückgekehrt, schufen sie sich eine eigene Existenz, eine Farm. Zehn harte Jahre waren seither vergangen. Ihre beiden Jungs kamen unter dem Halbmond zur Welt.

Der Pick-up tuckerte durch die Schwärze, schaukelte und stotterte, klapperte, als wolle er gleich auseinanderfallen, spie Gift und Galle bei jeder Steigung, mit einem zunehmenden Mond vor der tropfnassen Windschutzscheibe, von schabenden Scheibenwischern immer wieder neu gezeichnet. Nur hier und da ein schwaches Licht, das durch die Bäume flackerte. Wo krieg ich bloß zu dieser Uhrzeit eine Unterkunft her, schoss mir plötzlich durch den Kopf? Dass David telepathisch veranlagt war, bezweifelte ich, aber im selben Moment schlug er vor, in seinem Haus zu übernachten – einen Tag, das ganze Wochenende, länger, wie ich wolle.

Ich war dankbar für diese unerwartete Gastfreundschaft.
Der Abend wurde so finster wie ein schwarzes Blatt, nur die Scheinwerfer vertrieben namenlose, kurz erstarrende Tiere mit großen Augen in den Wald. Gegen zehn Uhr erreichten wir schließlich Muriwai einige Kilometer südwestlich von Gisborne und betraten ein Haus, in dem es angenehm nach Holzfeuer, Haushalt und Hausfraueneifer roch. Die Familie wartete noch in der großen Stube: ein Teil Küche, ein Teil Wohn- und Esszimmer, wo in der Ecke ein Gummibaum seinen Kopf neigte, dessen Blätter zäh und leblos wirkten wie Leder. Wie ein Dieb ließ ich meinen Blick weiter durch den Raum streifen. An einem Holztisch auf selbstgezimmerten, dünnbeinigen Stühlen saß neben Luzie, Matthias und Andrew noch Davids Mutter, eine gesprächige Frau in den Sechzigern; das graue Haar zu einem Dutt streng hochgesteckt, ihr Kinn, spitz wie das Maul einer Maus, ihr Gesicht wie aus einem Stück Marmor geschlagen, die Unbeweglichkeit einer Statue. Sie hatte, beide Arme auf die Tischkante gestützt, schnell das Regiment über das Gespräch übernommen, doch so sehr sie auch zu dominieren schien, über allem schwebte Luzies harter Schweizer Dialekt, der schnell ihre Heimat verriet. Sie war eine zierliche Person und ihr Gesicht wirkte, in gelblich blasse Haut verpackt, etwas kränklich. Ein teils rotes, teils blaues Kopftuch hielt ihr halblanges dunkelbraunes Haar zusammen. Schnell wurde ein einfaches Essen auf den Tisch gezaubert, alle packten mit an, während die beiden Kinder neugierig den Fremden beäugten. Doch ein Fremder am Abendtisch schien für die Familie nichts Außergewöhnliches zu sein. Noch während ich kaute, erzählte ich ein wenig von mir und meinem Zuhause, musste aber bald meiner Müdigkeit Tribut zollen; der offene Kamin schien es mir gleichzutun, der drei Wochen Freundschaft, Zerwürfnis, Enttäuschung, Zorn in mir wachrief, doch das war eine andere Geschichte. Es war schön, mit anzusehen, wie das Feuer brannte, aber schöner, wie das Feuer ausging. Mit einem Wisch wurden die Krümel oder was sonst noch auf dem Tisch lag auf den Boden gefegt. Es störte niemanden, dass die Schuhe knackten, als liefe man über Holzwolle, während eine Ameisengesellschaft emsig eine Zuckerstraße entlangeilte und alsbald hinter dem Herd verschwand. Alles war in unseliger Unordnung. Wie selbstverständlich räumte Andrew meinetwegen sein Zimmer, in dem an der Wand Postkarten mit den Bildern von Schweizer Häusern unter dickem Schnee klebten. Ein älterer Plattenspieler in einem Koffer blickte aufgeklappt auf die weiße Pracht.

Kurz zuvor hatte mich die Familie für den nächsten Tag zu einem Angelwettbewerb eingeladen, auf den die Kinder von Gisborne schon sehnsüchtig warteten. Trotz aller Müdigkeit fiel ich erst spät in einen leichten Schlaf und bemerkte, vom Knarzen des Holzbodens aufgeschreckt, im Flur eine unruhige Person, die durch die offene Tür auf das schnelle Atmen von Andrew horchte, der offenbar krank war, denn das Keuchen aus seinen Lungenflügeln klang wie der heulende Atem eines Rauchers, der an der zwanzigsten Stufe des Kölner Domes angelangt war. Dann zog die Mutter mit einem Schlüsselchen eine kleine Schweizer Spieldose auf und sogleich drehten sich die mit winzigen Stiften versehenen Messingwalzen leichtfüßig wie Springmäuse zu einem Liedchen, das mir unbekannt war. In ihrem Zimmer stand ein Korb mit Sachen aus der alten Zeit. Darin lagen eine verzierte Schatulle und Hefte und ein illustriertes Buch mit viktorianischen Kleidern. Und diese betagte Spieldose. Von der Wand hing ein Stück Kordel herab, an deren Ende eine dicke schwarze Spinne zappelte, die an den ausgefransten Fäden hantierte. Nachts konnte man daran ziehen, um das Licht anzuschalten. In einer Ecke stand alt ein Spinnrad: auf dem Schnurrad lag sanft ein Faden, der mit der Spindel, die an gebrochenem Schaft und verkohltem Schwungring litt, eine ewige Vereinigung einzugehen schien. Zwei Beine gebrochen und mit beschädigtem Fußtritt lehnte es behutsam die hölzerne Seite gegen die Wand, als könne ein bisschen Zuneigung und Zuspruch die alten Knochen irgendwann wieder in Gang bringen.

Zu hören waren Wind und Regen, als ich wach wurde, mich wusch und in die Küche ging. Luzie stellte gerade selbstgebackenes Brot, Marmelade, Cheddar-Käse und fremde Wurst auf den Tisch. All diese Köstlichkeiten zauberte sie aus dem alten, mit Volldampf arbeitenden Kühlschrank hervor, der wie ein Götterbote in der Ecke stand. Schnitt Käse, butterte Toast für die Kinder, die Hände so rosig, als hätten sie tagelang Teller gespült. Machte die besten Sandwichs, hatte Tomaten auf die Käsebrote geschichtet und sie mit Mayonnaise bestrichen, kombinierte Schinken mit Senf, Käse mit Marmelade und Kiwifruits. Wasser floss plätschernd vom rostigen Hahn in einen Kessel, der wenig später anfing zu flöten. Das Licht spielte im silbernen Bauch der Kanne, die auf dem Tisch stand und dampfte. Reichlich schwarzer Tee, der bitteren Geruch in die Küche verströmte, während Luzie geschäftig hin und her huschte, mit unsicherer Hand Tee einschenkend. Beiläufig sah ich zu, wie sie die Gesichter der Kinder mit Waschlappen und Kamm noch ein bisschen herrichtete, die Haare ordnete, die beiden in ausgebeulte Hosen und Turnschuhe steckte und ihnen einen leichten Klaps auf den Hintern gab, als David zweimal aus dem Auto hupte. Er hatte die Weiden inspiziert, die Post geholt, zwischendurch das Schwein gefüttert und seinen morgendlichen Gang durch die Felder beendet.
Dick in Ölzeug verpackt, machten wir uns auf den Weg zu ...

 

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