Schiffsreise von Santa Cruz de la Palma nach Cadiz

© Willi Schnitzler     

Seereise - LotsenbootIch besteige das Flugzeug und weiß, dass ich noch am selben Vormittag auf der kleinen Kanareninsel La Palma ankomme. Sie liegt wie eine Zuckerrübe im Blau des Atlantischen Ozean, auch wenn es diesmal aufgrund eines heftigen Sturms nicht ganz so einfach ist, das Flugzeug auf dem kurzen Rollfeld von Santa Cruz zu landen. Doch die Insel soll lediglich eine Zwischenstation sein. Ich will nächste Woche das Schiff nach Cadiz nehmen. Also genau die entgegengesetzte Richtung zu den Entdeckungsfahrten der Phönizier des 9. bis 12. Jahrhunderts, als die andalusische Hafenstadt noch Gadir hieß, die Eingeschlossene. 

Und es klappt. Das Wetter beruhigt sich zum Wochenende hin, der liebliche Säuselwind, wie Homer ihn nannte, ist zurückgekehrt, das Meer nach den stürmischen Wochen gezähmt, und ein Ticket in Santa Cruz zu bekommen, erweist sich als problemlos.

    

Aufgrund des Studiums von Reiseberichten und dem Weltbild eines Herodots oder Marinos von Tyros konstruierte Claudius Ptolemäus aus Alexandria um 160 nach Christus jene große Weltkarte, die allen späteren Kartenwerken als Vorbild diente. Die Grenzen setzte er in den 16. Parallelkreis südlicher und den 63. Parallelkreis nördlicher Breite, in den Meridian der Inseln der Glückseligen, wohin die Lieblinge der Götter geschickt wurden, und im Osten in den Meridian der Semantischen Berge im heutigen Annam. Ausgangspunkt für die Errechnung der Breiten war ihm, ähnlich wie dem Hipparch, der Äquator. Zur Längenberechnung benutzte Ptolemäus die von Hipparch eingeführte, etwas ungenaue Methode nach der Mondfinsternis; Ausgangsmeridian war für ihn das Kap Orchilla auf der Insel Ferro, Hierro , einen Katzensprung von La Palma entfernt. Manche seiner Annahmen, z. B. die unrichtige Längenangabe der Äquatorialgrade (nur 32.000 km für den Umfang des Äquators), wirkten jahrhundertlang nach.

Da bleibt nur zu hoffen, dass unser Kapitän die richtigen Karten hat.

1. Tag

Dienstag. 12.00 Uhr. Noch liegt das Schiff am Ostdock. Strahlend weiß mit ihren charakteristischen grün blauen Strichen schluckt das Hinterteil der Juan J. Sister mühelos Container um Container, Lastwagen und private Pkws, hebt sich von den senkrecht ansteigenden, dunklen Bergen ab. Die spanische Flagge weht gegen die aufreißenden grauen Wolkenberge. Nachdem die Fahrer eingecheckt sind, fährt ein kleiner Minibus nun die wenigen Passagiere ohne Gefährt in die oberen Etagen. Das Schiff hat zwar nur wenige Passagiere an Bord, dafür aber den Bauch voll Lastwagen mit Bier, leicht verderblicher Waren und weiß der Himmel, was sonst noch. Ich bringe mein Gepäck in die Kabine, eine Vierer-Kabine, die klein ist, aber äußerst sauber, schmale Etagenbetten und ein winziges Dusch/WC hat. Ich bin zufrieden, auch wenn ich nicht weiß, wie das ganze Gepäck verstaut werden soll. Doch auch dieses schwierige Unterfangen gelingt schließlich recht gut. Dann bekommen wir die Essensmarken für die nächsten Tage. Die 400 DM, die die Kreuzfahrt kostet, scheinen gut angelegt.

Dienstag. 14.00 Uhr. Sonniges Wetter. Kaum Seegang. 20° Celsius. Von der Reling aus sehe ich auf die wenigen Menschen, die uns zuwinken und wie der Kapitän das schwere Schiff aus der schmalen Hafenausfahrt hinausbugsiert. Wir blicken noch einmal zurück auf einige wenige Fischerboote, die in der leichten Dünung schlingern, den Roque de los Muchachos und die Skyline der Hauptstadt, die sich an die zarten Höhen anschmiegt, und nehmen Kurs auf Teneriffa. Die Schiffssirene ertönt kurz, dann sind wir draußen, und während einige der Passagiere bereits den Swimmingpool auf dem mittleren Sonnendeck bevölkern, mit geschlossenen Augen der Sonne entgegenschauen oder über das Deck schlendern, gehen andere schweigsam an der Reling entlang, um einen letzten Blick auf die grüne Insel, „La Isla Verde“, zu erhaschen, die wie ein kleiner Trittstein neben anderen im großen Meer vor der afrikanischen Küste liegt. Für einen, wie ich weiß, ist es ein Abschied für lange Zeit. Das Meer glitzert friedvoll.

Im Laufe des frühen Nachmittags taucht Teneriffa auf, die größte der Kanarischen Inseln, die schon der Weltreisende Alexander von Humboldt Ende des 18. Jahrhunderts enthusiastisch beschrieb. Es scheint, als kriechen wir die Küste an dunklen Felsen entlang; beobachten, wie die Sonne mit den weißen Häuschen der kleinen Bergdörfer spielt; betrachten den Vulkan Pico de Teide, mit 3718 m der höchste Berg Spaniens, der von Wolken belagert wird. An den Rändern durchschneiden Barrancos die Kraterlandschaft bis zum Meer. Ich schaue in die Sonne, die stärker ist als jene zu Hause und in die man nicht allzu lange sehen darf. Es scheint eine andere Sonne zu sein, als diejenige, die ich noch vor Tagen am blassen Himmel gesehen habe und die eine Wärme verbreitet, wie der alte Kohleofen meiner Großmutter in der Küche. Der Windhauch, der von den Bergen kommt, hätte nicht einmal die Flamme eines Streichholzes zum Flackern gebracht.

In der Dämmerung erreichen wir die Spitze Teneriffas, dort, wo drei große Felsbrocken von den Bergen gefallen zu sein scheinen, während in unserem Rücken der orangene Feuerball der Sonne ins Meer taucht und die Wolken illuminiert. Wir nehmen Kurs auf Santa Cruz de Teneriffe, das in einer weitgeschwungenen Bucht an der Nordostküste liegt. Es ist beinahe dunkel und sternenklar. Die Lichter der Hafenstadt sind angezündet und begrüßen uns schon von weitem. Ein kleines Bergdorf erscheint, leuchtet freundlich grau im indirekten Licht eines raffinierten Innenarchitekten. Pünktlich laufen wir in den Hafen ein, der vom Dique Muelle geschützt ist, nicht weit entfernt von der Stelle, an der eine Kanonenkugel Admiral Nelson den Arm abriss.

Nicht viel Platz, um das Schiff zu drehen, ungeachtet dessen docken wir rückwärts an. In Santa Cruz de Teneriffe, das Anaza der Guanchen, das für den bevorstehenden Karneval bestens gerüstet scheint, bleiben wir über Nacht. Riesenrad, Lichterketten, Kirmes. Im Hafengebiet steht das monumentale Denkmal für die Gefallenen des spanischen Bürgerkriegs. Nach dem guten Abendessen gehen wir von Bord, schlendern in Richtung Plaza de Espana und lassen uns von der spanischen Atmosphäre der Stadt treiben. „Kein Ort der Welt“, schreibt Alexander von Humboldt „scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüte den Frieden wiederzugeben, als Teneriffa und Madeira.“

Später, in der Kabine, begibt man sich in die Hand des Schiffes, während die Lüftung ihr Bestes gibt. Unsere Atemgeräusche sind verschieden, so wie das Haar auf dem Kopf und die Bewegungen der Arme während der Unterhaltung.

2. Tag

Mittwoch. 8.00 Uhr. Leichter Seegang. 18° Celsius. Früher war der Hafen von Santa Cruz eine große Karawanserei auf dem Weg nach Indien oder Amerika, von dem fast sämtliche Reisebeschreibungen ausgehen, heute fahren wir gerade einmal um die Ecke zur nicht weit entfernt liegenden Insel Gran Canaria dem fast runden, muschelförmigen, drittgrößten Eiland des Archipels. Das Schiff startet behäbig aus dem Hafen, zieht eine weiße Spur über das ruhige Meer. Pünktlich im Dunst der Mittagssonne erreichen wir Las Palmas de Gran Canaria. Ein elegantes Kreuzfahrtschiff, die Seawing, liegt auf Reede, fünf Tanker schwoien etwas weiter draußen in ihren Ankern, während ein englisches Kriegsschiff mit rotem Normannenkreuz sich hinter Kränen versteckt – wartet es hier auf den Marschbefehl Richtung Golf? Ich für meinen Teil sehe ein kleines Segelboot lieber als ein Kriegsschiff, aber das ist Ansichtsache. Mit wehenden Flügeln schneidet ein kleines Tragflächenboot unseren Weg, bevor wir von einem Lotsen in den Hafen geleitet werden. Vorbei an der mit riesigen Tomaten, Avocados, Gurken und Bohnen bemalten Markthalle, die gerade die Fracht der Seaflower aufnimmt, machen wir am Hafen, am Kai Santa Catalina, fest. Dort wartet bereits die Polizei, um zwei Männer und eine Frau, die in Teneriffa an Bord gegangen sein müssen, in Handschellen in eine grüne Minna einzusperren. Es dauert eine Zeit, bis die beiden Rangierer die Lkw-Aufleger ins Schiff verfrachtet haben. Wir sehen, wie Dutzende von Containern voll mit Obst, Gemüse, Bier- und Mineralwasserflaschen für andere Schiffe platziert werden. Während wir an der Reling stehen und auf unsere Freundin Birke warten, die es dann doch nicht geschafft hat, rechtzeitig das Gerichtsgebäude zu verlassen, hat der Hafenkommandant stolz, wie ich es nur von Spaniern kenne, zwei vornehmen Paaren das Schiff gezeigt. Ich vermute, dass der Mann mit dem weißen geöffneten Hemd ein Schulkamerad ist.

14.30 Uhr. 28° Celsius. Während die Stadt in der gleißenden Mittagssonne schmort, drehen wir uns wieder und nehmen Kurs auf Lanzarote jene Insel, die früher Titeroigotra genannt wurde, als eine Frau noch mehrere Männer hatte, die nach einem Mondumlauf in der Ausübung der Rechte des Familienoberhauptes wechselten. Delfine begleiten für eine kurze Wegstrecke unser Schiff, was den meisten der Passagiere entgeht, die entweder am Pool liegen, schwimmen und lesen, oder, wie die meisten Lkw-Fahrer, die Gameshows in der flackernden Glotze anstarren. Zwei deutsche Jugendliche scheinen etwas auf dem Kerbholz zu haben. Sie werden von Polizisten in Zivil bewacht und scheinbar an der langen Leine gehalten, müssen nach einer Stunde Sonne wieder in den Bauch des Schiffes zurück. Fünf weitere Polizisten der Guardia Civil, die immer mal wieder überprüfen, ob noch alles in Ordnung ist, sind abgestellt, um einen Geldtransport zu begleiten. Während ich zufrieden in einem der Ruheräume aus den Panoramafenstern schaue, fahren wir bedächtig an der langen, vegetationsarmen Küste Fuerteventuras entlang, die durch die heißen Saharawinde wie ausgetrocknet scheint. Ein karges Land, wie es scheint, nur hier und da Tupfer von graugrünem Ginster, der Wüstenblume, inmitten durstigen Felsgesteins. Kamele scheinen die wenigen gelben Blüten restlos gefressen zu haben, jene Blüten die einst Don Quijote in seiner Niedergeschlagenheit und Weltflucht betrachtet haben mag.

Mittwoch. 22.00 Uhr. Ordentlicher Seegang. 20° Celsius. Wir laufen in den kleinen Hafen von Arricife, Lanzarote, ein, legen am Puerto de los Mármoles an, wo nur wenige aussteigen und noch weniger aus- oder zugeladen wird. Die den Hauptort überragenden zwei Burgen sind nur zu erahnen. Wir sehen nichts von den Lavafeldern, die die Insel bedecken, weder das Timanfayagebirge noch die Feuerberge, die Montanas de Fuego. Nicht die Mondlandschaft, nicht die Wüste. Wir sind Afrika ganz nah. Hier haben die Grafen von Lanzarote des 16. Jahrhunderts recht viel Sklavenfängerei betrieben.

Der Wind ist merklich aufgefrischt, als wir wieder aufbrechen. Der Passat bahnt sich einen Weg um die kleineren Inseln, um auf Teneriffa oder Gran Canaria etwas Regen liegen zu lassen. Die See wird etwas ungemütlich. Im Fernsehen gewinnt Barca mit 3:0 ein Fußballspiel, das man vor lauter Schnee kaum verfolgen kann. Ein mürrischer Lastwagenfahrer kippt seinen Schnaps in einem Zug herunter, als hätte er Sorge, die Zunge mit der scharfen Flüssigkeit zu benetzen, um der Blutbahn erst etwas später den Alkohol zu gönnen. Um 23.00 Uhr schließt dann auch die Bar mit der Frau, die Diana so ähnlich sieht. Aufgrund der wenigen Passagiere ist in der Diskothek wenig los. Nach Mitternacht ziehen Wolkenberge um den Mond und verdecken das Sternbild des Schützen.

3. Tag

Donnerstag. 8.30 Uhr. Leichter Nebel. Kaum Seegang. 18° Celsius. Wir sind auf offenem Meer, dümpeln dahin, fern der viel befahrenen Schifffahrtswege, so scheint es, kein anderes Schiff treffen wir hier, niemand ist zu sehen, keine fliegenden Fische, keine Delfine, kein Land, nicht einmal Möwen. Lassen unsere Blicke über das Wasser wandern, dass eine beruhigende Stille ausstrahlt. Die Mannschaft wäscht die Rettungsboote, ein Wartungstrupp labsalbt eine große Kette, während die meisten Passagiere gerade aufgestanden sind und frühstücken. Später wird eine Lichterkette über das Schiff gespannt, da am Abend des Ankunftstages auf dem Schiff immer ein Fest stattfindet. Eine Kanarin, die neben uns im Liegestuhl sitzt, erzählt von Teneriffa und Australien, wo sie jetzt mit ihrem Mann lebt, der davon lebt, Fische zu fangen und Bücher zu schreiben. Ihre Mundpartie erinnert mich irgendwie an einen englischen Schauspieler.Das Schiff ist ein finnisches. 1993 vom Turku New Shipyard gelaufen. 151 m lang, 26 m breit und 8,60 m hoch. Es erreicht mit seinen 16.500 Pferdestärken eine Höchstgeschwindigkeit von 18 Knoten und ist in der Lage bis zu 550 Passagiere aufzunehmen.

14.00 Uhr. Kaum Seegang. 22° Celsius. Wir fahren weiterhin über eine gebügelte See, und ich weiß plötzlich, dass sie in das Geheimnis der ewigen Jugend eingeweiht worden ist. Feine Wolkenschlieren durchziehen den Himmel. Weit und breit kein Land. Wieder eine Durchsage, die das Bingo-Spiel am späten Nachmittag ankündigt. Währenddessen hat die Musikkapelle ihre Plätze eingenommen und spielt auf. Die rauchige Stimme der Sängerin, die die lustigsten Augen hat, die ich kenne, erinnert an Bonnie Tylor – Nothing but a heartache – und wird von einem jungen Mann mit Pferdeschwanz am Synthesizer begleitet. Beide lachen viel und haben Spaß an ihrer Arbeit. Die Sängerin hilft später bei der Durchsage der Bingo-Nummern. Eine kleinwüchsige Familie, die mir sehr sympathisch ist, weil der Vater seine kleinen Töchter so zärtlich umhegt, gewinnt zweimal und das gefällt mir sehr.

Nicht nur wir freuen uns schon früh auf das Abendessen mit Fisch, Paella und Wein, der Zeitpunkt, sich auf das nächste Essen zu freuen, beginnt nach einem Tag auf See bereits eine Stunde, nachdem das aktuelle Essen in den Verdauungstrakt geschickt worden ist. Bonnie Tylor und ihr Begleiter sind die ersten in der Essensschlange.

23.00 Uhr. Leichter Seegang. 15° Celsius. Am letzten Bordabend ist auch die Diskothek gut gefüllt mit Menschen, die aussehen, als kämen sie aus Spielcasinos, Die Besatzung tanzt eine Sevillana. Die Kellner hinter der Theke sind froh, etwas zu tun zu haben und verteilen kleine Häppchen auf Toast. Immer mehr Besatzungskräfte tauchen auf. Sie sind guter Stimmung und wenig später ist ein kleiner Karaokewettbewerb im Gange. Gegen Eins schickt der zweite Offizier alle ins Bett.

4. Tag

Freitag: 8.30 Uhr. Schwerer Seegang. 14° Celsius. Die Auswirkungen der Straße von Gibraltar sind deutlich zu spüren, schütteln das Schiff in unangenehmer Art und Weise. Ein Prozessor in meinem Hirn, der normalerweise den Gleichgewichtssinn in meinem Ohr steuert, ist ausgefallen. Die Lösung, die die Weisheit des Volkes vorschlägt, sich in den Schatten einer alten Dorfkirche zu setzen, das wäre nämlich das einzige, was gegen Seekrankheit helfen würde, liegt in weiter Ferne. Ich fühle mich nicht sonderlich gut, weigere mich aber, darüber nachzudenken, während Boden und Decke die Plätze tauschen. Gott steh mir bei, hauche ich kleinlaut in meinen Magen hinein und atme in kleinen Zügen die sonderbare Luft ein, bis das unangenehme Gefühl verschwindet. Eine halbe Stunde dauert der Spuk, dann hat sich das Meer wieder beruhigt.
Die Fähre erreicht Cadiz die andalusische Hafenstadt auf einem Kalkfelsen, deren Gesicht auf Afrika, auf die offene See gerichtet ist, um die Mittagszeit. Leichter Seegang, es herrscht eine Temperatur von 24° Celsius. Hier nimmt Europa Abschied von sich selbst. Hier liegt das Tor zwischen „Mare Nostrum“ und „Mare Tenebrosum“, hier lag einst die Grenze der bekannten Welt.

Eine Reihe Container stehen vor der Silhouette der weißen Stadt, von der sich die Türme der alten Kathedrale abheben, die in den makellosen Himmel gestanzt scheint. Kein Phönizier, kein Römer, kein Maure warten auf uns, weder Sir Francis Drake der die Stadt einst niederbrannte, noch Hannibal mit seinen Legionen, sondern der Zoll und die Guardia Civil. Sie warten gewiss nicht mehr auf Krieger, Abenteurer, Konquistadoren, Korsaren oder Galeerensklaven, die von hier aus die Weltmeere befuhren. Eher auf Schmuggler und Rauschgifthändler oder afrikanische Flüchtlinge auf dem Weg in die verheißungsvollen Städte Europas.

Griechische Bildhauer arbeiteten hier und römische Legionen kämpften blutige Schlachten, Vandalen, Westgoten und Moslems regierten, nach und nach, und es dauerte nahezu acht Jahrhunderte und über 3.500 Schlachten, die Mohammedaner über die Straße von Gibraltar wieder zurückzudrängen. Hier waren Hannibal und Hamilcar , Roderic und Tarik-Ibn-Zeyad, Alfonso der Weise, hier waren Nelson, Albuquerque und Wellington hier waren Kolumbus und Ojeda, Ponce de León und Magellan - Abenteurer, Kämpfer, Entdecker, Korsaren, conquistadores.

Vor Cadiz bekämpften sich eines Nachts zwei Brüder mit ihren Schiffen, ohne zu wissen, dass sie es waren. Fast gleichzeitig gingen sie unter und erkannten einander, unglücklicherweise, als sie bereits dem Tode geweiht waren. Es war die Zeit, als Spanien und England Seekriege führten.

Überraschend schnell haben die Passagiere mit ihren Autos über die schmale Fahrtstrecke aus dem Bauch des Schiffes hinausgefunden. Ein Engländer muss feststellen, dass man den Kofferraum seines Mercedes aufgebohrt hat, aber sonst scheint alles in Ordnung zu sein. Wir verabschieden uns von den beiden Burschen, die mit uns die kleine Kabine geteilt haben und sich aufmachen, in den Süden Deutschlands zurückzukehren.

Wie angenehm war es doch, mit normaler Geschwindigkeit von der „Isla Bonita“ wie La Palma auch genannt wird, an den Inseln des ewigen Frühlings vorbei durch den Garten der Hesperiden nach Cadiz zu fahren. Keine Hektik, keine Hetze - statt dessen Geruhsamkeit und Dahingleiten, endloses Meer und wärmende Sonne. Eine Reise wie in alter Zeit. Auf dem Wasser zu reisen, und sei es nur über kurze Entfernungen, hat etwas Urtümliches an sich. Dieser Satz wurde schon einmal geschrieben, und er stimmt. Und als ob es noch eines anderen Beweises bedarf, saust über uns ein Düsenflugzeug hinweg und hinterlässt eine zarte weiße Spur am sonst makellosen Himmel. Seine Passagiere merken nichts von der Geschwindigkeit, ein leichtes Aufstoßen vielleicht, ein bisschen Wind, der sich an den Flügeln bricht. Kaum jemand da oben wird uns bemerkt haben, umgekehrt ist das anders.

Die Stadt, die im Volksmund „Silbertasse“ genannt wird und mit mehr als 3000 Jahren die älteste bewohnte Stadt Europas ist, hat uns zwei Stunden zu ertragen. Die alte Stadt „Gades“ galt jahrhundertlang als die wichtigste spanische Hafenstadt, insbesondere für den Schiffsverkehr von und nach Amerika. Von hier aus fuhr man in die Welt, um sie zu erobern, man war brutal und grausam, selbstsüchtig und hinterhältig, man hat sich selbst in den Ruin getrieben, man hat so viel falsch gemacht, wie man falsch machen konnte. Im Jahre 1812 wurde in Cadiz die spanische Verfassung geschrieben, deren historischer Text in der klassizistischen Kirche Oratorio San Felipe Neri aufgesetzt wurde.

Ihre Gassen sind gerade und schmal, die Häuser weiß, die hohen Häuserfassaden voll schmiedeeiserner Fenstergitter, die Dächer flach - das arabische Erbe einer Zeit, als das ganze Land in kleine Fürstentümer, den so genannten Taifas, unterteilt war. Ein Lotterieverkäufer sitzt im Schatten eines Baumes, die Bänke sind voll von lesenden alten Männern, während die Reinigungsmannschaften der Stadt noch damit beschäftigt sind, die Plätze vom nächtlichen Unrat zu säubern. Der schöne Platz mit dem Café gefällt mir. Dort wartet Horst, Freund und Reisebegleiter, während ich zur alten Kathedrale gehe, durch klaustrophobisch enge Gassen und wieder zurück. Um Eins nehmen wir den Zug nach Sevilla, der Heimat des Don Juan und des singenden Barbiers, Don Giovanni, Fidelio, Carmen.

Wir fahren mit der Bahn nach Sevilla, das zusammen mit Cadiz einst Hochburg für Schmuggler und Betrüger war, durch marismas genannten Marsch- und Sumpfgebiete. Störche segeln erhaben unter den Wolken. Hügelige Wiesen tauchen auf, Wasserbecken, verfallene Häuser und Türme. Städte und Dörfer liegen nur wenige auf dem Weg vom Ende Europas zur wohl schönsten Stadt Spaniens. Sevilla am Fluss Guadalquivir gelegen, in die ich mich auf Anhieb verliebe.