Die Entstehung der Vulkane

© Willi Schnitzler    

Die Entstehung der VulkaneUnter den ersten Einwanderern war auch der Häuptling Ngatiroirangi, was soviel wie Himmelsläufer oder der am Himmel Wandernde hieß. Er landete bei Maketu an der Ostküste der Nordinsel, durchwanderte als Forscher und Priester des Arawa-Kanus die weite Ebene östlich des Lake Taupo, stampfte für dürre Täler Wasserquellen aus der Erde und erstieg Hügel und Berge, als sich unvermittelt im Süden die Wolken über dem majestätischen Gipfel des Tongariro (wörtlich „gegen Süden“) lichteten.

Ngatiroirangi verspürte ein unbändiges Verlangen, den Gipfel zu bezwingen und befahl seinen Begleitern: 
„Bleibt hier. Ich will mit meinem Sklaven Auruhoe den Berg besteigen. Das ist ein gefährliches Abenteuer. Wir müssen die Götter gnädig stimmen und deshalb dürft ihr während unserer Abwesenheit keine Speise zu euch nehmen. Wenn wir zurück sind, werden wir uns alle ein großes Festmahl bereiten.“

Ngatiroirangi kam in die Binnenebenen an den See Taupo, wo ihm die Büsche ein großes Tuch aus Kiekie-Blättern zerfetzten. Diese Fetzen schlugen Wurzeln und wurden zu Kowai-Bäumen, eine schöne gelbblühende Akazie. Dann bestiegen sie den Tongariro und waren bald im ewigen Schnee, der von einem eiskalten Wind zerfurcht wurde. Nur mit Mühe hielten sich beide noch aufrecht, bis ihre steifen Körper schließlich der klirrender Kälte nichts mehr entgegensetzen konnten und erschöpft in den Schnee fielen. Windböen trieben unmenschliche Geräusche vor sich her, Geräusche, die sich immer wieder wie ein Kind hinter der Rockschürze der Mutter verbargen. In der Zwischenzeit hatten die Begleiter im tiefen Tal lange und mit knurrenden Mägen auf die Rückkehr ihres Meisters ungeduldig gewartet. 
„Vielleicht sind sie gestorben“, argwöhnte einer von ihnen, „und wir werden immer hungriger.“

    

Daraufhin bereiteten die Männer eine Mahlzeit zu und aßen. Augenblicklich stieß oben auf dem Berg die Kälte noch bedingungsloser zu, woraufhin Ngatiroirangi im Todeskampf die Götter um Hilfe anflehte.

„Sendet mir Feuer, denn der kalte Südwind tötet mich.“
Im fernen Hawaiki hörten seine Schwestern die Gebete und sandten die unterirdisch lebenden Berg- und Wassergeister Te Pupu und Te Hoata aus, um ihn zu erretten. An der vorgelagerten Insel Whakaari, White Island, tauchten sie auf, woraufhin die Erde heißblütig Feuer fing. Auf ihrer Suche nach dem Priester tauchten die Dämonen gelegentlich auf – in Rotoiti, Rotorua, Tarawera und Taupo – und ließen ihren Weg begleitende Spuren zurück. Doch im selben Moment, als Ngatiroirangi einzuschlafen drohte, durchbrachen sie wie ein irrwitziger Blitz die riesige Pyramide des Tongariro und die Flammen liebkosten ihn wie ein wärmender Mantel. Als Dank und zur Versöhnung der Götter warf der Priester die Leiche Auruhoes in den Krater, der seitdem von den Maori Ngauruhoe-Vulkan genannt wurde.

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